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2. Aktive und bewusste Teilnahme am Klassenkampf

April 10th, 2025

SozialrevolutionärInnen streben auch in nichtrevolutionären Zeiten die bewusste und aktive Teilnahme am Klassenkampf an, aber nicht um sich an dessen reproduktiven Grenzen opportunistisch anzupassen, sondern mit dabei zu halfen, dass diese vielleicht irgendwann mal gesprengt werden.

Die Gesamtorganisation, also die Föderation der sozialrevolutionären Gruppen und Einzelmitglieder, stellt keine reproduktiv-sozialreformistischen Forderungen des Klassenkampfes auf. Genauso wenig, wie dies all jene Gruppen und Einzelmitglieder tun, die nicht direkt an den kapitalistischen Ausbeutungsplätzen aktiv sind. Und dies aus zwei Gründen: Erstens ist es Sache des klassenkämpferischen Proletariats selbst, seine Forderungen zu stellen und zweitens ist es Aufgabe der SozialrevolutionärInnen dazu beizutragen, dass der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt. Es ist der reproduktive Klassenkampf selbst und die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung die diese Forderungen im Rahmen des Kapitalismus aufstellen. Dazu braucht es nicht die Föderation und die Ortsgruppen der SozialrevolutionärInnen.

Ein wenig anders sieht das bei proletarischen RevolutionärInnen beziehungsweise revolutionären Betriebsgruppen – die vielleicht perspektivisch entstehen werden – direkt an den Ausbeutungsplätzen aus. Sie haben selbstverständlich auch ein Interesse an höheren Löhnen und niedrigeren Arbeitszeiten – neben dem Bedürfnis, den ganzen Laden zu zerschlagen, das aber in nichtrevolutionären Zeiten so nicht befriedigt werden kann. Zweitens sind sich SozialrevolutionärInnen der Dynamik des Klassenkampfes bewusst. In nichtrevolutionären Zeiten können die reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes nicht überwunden werden. Reproduktiver Klassenkampf ist viel besser als gar keiner. Proletarische RevolutionärInnen und revolutionäre Betriebsgruppen können und sollten also konkrete Forderungen stellen, wenn sie in der Lage sind, den Klassenkampf vorwärts zu treiben. Aber vor allem sollten sie – so weit dies konkret immer möglich ist – die Radikalisierung der KollegInnen durch den Klassenkampf nutzen, um in Gesprächen deutlich zu machen, dass das gesamte System der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit weggefegt gehört. Dabei natürlich auch vorsichtig agierend, damit sie nicht zu Opfern einzelkapitalistischer und/oder staatlicher Repression werden.

SozialrevolutionärInnen streiken mit für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten oder gegen kapitalistische und staatliche Angriffe beziehungsweise sind aktiv solidarisch, aber sie organisieren nicht das Tarifvertragssystem als Mitverwaltung der Lohnarbeit mit. Sie stellen sich unverändert das langfristige Ziel, dass sich möglicherweise herausbildende revolutionäre Klassenkampforganisationen die Gewerkschaften entweder beiseiteschieben oder aufsaugen – die kleineren und radikaleren – oder zerschlagen (die größeren, in den Staat integrierten Apparate). Als der deutsch-niederländische Links- und Rätekommunismus in den 1920er Jahren die Forderung nach der Zerschlagung der Gewerkschaften aufstellte (siehe die Kapitel III.5 und III.6), waren die Zeiten revolutionär. Heute sind sie es nicht. Heute die Parole „Raus aus den Gewerkschaften!“ aufzustellen, wäre unpraktische Kraftmeierei. Eine einfache Mitgliedschaft von SozialrevolutionärInnen in den Gewerkschaften in nichtrevolutionären Zeiten ist also möglich. Aber sie haben in den neben- und hauptamtlichen Funktionen der Gewerkschaftsapparate sowie in den Tarifkommissionen nichts zu suchen. Auch lassen sie sich nicht in die zum Beispiel in Deutschland existierenden gesetzlich-sozialpartnerschaftlichen Betriebs- und Personalräte hineinwählen. Sie wollen den kapitalistischen Saftladen nicht „mitbestimmen“, sondern zerschlagen. RevolutionärInnen stellen der kapitalistischen Arbeitsdemokratie in Form der Betriebs- und Personalräte grundsätzlich die klassenkämpferische Selbstorganisation beziehungsweise die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats gegenüber. Dies schließt nicht aus, dass SozialrevolutionärInnen in Einzelfällen den engen Rahmen von Betriebs- und Personalräten von außen nutzen können, um ihre individuellen und kollektiven Interessen durchzusetzen.

Auf keinen Fall dürfen SozialrevolutionärInnen Illusionen in die klassenkämpferische und sozialemanzipatorische Reformierbarkeit von oder gar in „revolutionäre“ Gewerkschaften schüren. In größeren Konfliktfällen zwischen Gewerkschaftsbonzokratie und Betriebsratsfürsten auf der einen und der klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite müssen SozialrevolutionärInnen alles tun, um diesen Zusammenprall weiter zuzuspitzen. Besonders bei längeren Streiks tritt diese Klassenspaltung zwischen den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis offen sichtbar in Erscheinung. In Deutschland nutzen die Gewerkschaftsapparate den Fakt, dass sie bei einer Arbeitsniederlegung Streikgeld – und nur an diese! – auszahlen, um das klassenkämpferische Proletariat an der Kette zu halten. Ganz nach dem Motto, entweder ihr macht, was wir wollen, oder ihr bekommt kein Streikgeld mehr. Leider wirkt diese Drohung noch ziemlich oft. SozialrevolutionärInnen müssen in solchen Fällen deutlich machen, dass wir uns als Klasse nicht von den Gewerkschaftsbonzen einschüchtern lassen dürfen. Unabhängig von den Gewerkschaftsapparaten streikende Belegschaften können die Bezahlung der Streiktage von ihren AusbeuterInnen als Teil ihrer Forderungen verlangen oder Spendensammlungen innerhalb der ganzen Klasse organisieren.

Die Potenz der klassenkämpferischen Selbstorganisation wird bereits im reproduktiven Rahmen in Form von wilden gewerkschaftsunabhängigen Streiks deutlich. An diesen nehmen SozialrevolutionärInnen bewusst und aktiv teil beziehungsweise sind solidarisch. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen kann bei wilden Streiks sowohl informell als auch in Form von gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees zum Ausdruck kommen – letzteres besonders bei größeren Ausständen und/oder wenn mehrere Belegschaften beteiligt sind. In all seinen Formen ist der selbstorganisierte Klassenkampf die klare Alternative zur Gewerkschaft. Diese kann sich im reproduktiven Klassenkampf nur ansatzweise entwickeln. Die revolutionäre Klassenkampforganisation kann nur in der sozialen Revolution entstehen. Diese können SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten nicht ersetzen. Sie können nur aktiv, bewusst und radikalisierend am Klassenkampf teilnehmen – und mit ihren subjektiven Beiträgen praktisch-geistiger Impulsgebung mit dafür sorgen, dass dieser vielleicht irgendwann mal seine reproduktiven Grenzen sprengt.

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