Home > antinationale position, AST, demokratische wahlen, marxismus-leninismus, sozialrevolutionäre universalismus > IV. SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten

IV. SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten

March 29th, 2025

1. Die Organisation der SozialrevolutionärInnen

Um Missverständnisse zu vermeiden: In diesem Kapitel geht es nicht um die revolutionäre Klassenkampforganisation – die sich möglicherweise in und mit der Revolution entwickeln kann (siehe Kapitel V.3). Hier geht es um die Organisation der SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten. Die Funktion der revolutionären Klassenkampforganisation ist es, die Revolution zu machen, die Aufgabe der Organisation der SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Situationen ist es, die Möglichkeit der Revolution praktisch-geistig vorzubereiten.

Es gehört zu den Gepflogenheiten sowohl von MarxistInnen-LeninistInnen/TrotzkistInnen als auch von AnarchosyndikalistInnen, in ihrer Praxis und Ideologieproduktion die Unterschiede zwischen der möglichen revolutionären Klassenkampforganisation und der heute notwendigen Organisation der SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten zu verwischen. Sie streben bereits in nichtrevolutionären Zeiten den Aufbau von „revolutionären Parteien“ oder „revolutionären Gewerkschaften“ an, die sie als Klassenkampforganisationen verstehen. Der systematische „Fehler“ des Marxismus-Leninismus/Trotzkismus und Anarchosyndikalismus in der Organisationsfrage ergibt sich aus zwei Tatsachen. Erstens sind Parteien und Gewerkschaften keine revolutionären Organisationen, sondern bürgerlich-bürokratische Gebilde der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, die nur den Kapitalismus reproduzieren können. Parteien und Gewerkschaften sind strukturell sozialreformistisch und damit latent konterrevolutionär, wie die Geschichte und Gegenwart von „revolutionären“ Parteien und Gewerkschaften bewies und beweist. Zweitens kann die wirkliche revolutionäre Klassenkampforganisation nicht mechanisch in nichtrevolutionären Zeiten aufgebaut werden.

Selbstverständlich gibt es in den marxistisch-leninistischen/trotzkistischen Parteien und anarchosyndikalistischen Gewerkschaften Menschen, die sich subjektiv ehrlich als SozialrevolutionärInnen verstehen, sie sind aber objektiv in nicht revolutionär sein könnenden Organisationen desorganisiert. Der gewerkschaftsfeindliche und antipolitische Kommunismus kann nur den von ihm beeinflussten und inspirierten SozialrevolutionärInnen Anregungen und Denkanstöße für deren Organisation in nichtrevolutionären Zeiten geben.

SozialrevolutionärInnen können und müssen sich in nichtrevolutionären Zeiten in antipolitisch-sozialrevolutionären Gruppen ohne bürokratische Apparate selbst organisieren. Die Organisation der SozialrevolutionärInnen beteiligt sich weder am Politrummel der freien Wahlen so wie marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien, noch organisiert sie das Tarifvertragssystem als Mitverwaltung der Lohnarbeit mit so wie anarchosyndikalistische Gewerkschaften. Sie nehmen selbstverständlich auch nicht an den Wahlen von legalistisch-reformistischen Betriebs- und Personalräten teil. Die Organisation der SozialrevolutionärInnen koordiniert die scharfe Kritik am Kapitalismus und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung. Diese Kritik kann in nichtrevolutionären Zeiten nur ansatzweise in Form der revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes zur materiellen Gewalt werden. Die Organisation der SozialrevolutionärInnen kann und muss die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes bewusst zum Ausdruck bringen. Sie soll ihren Mitgliedern helfen, aktiv und bewusst am Klassenkampf teilzunehmen (siehe Kapitel IV.2).

SozialrevolutionärInnen müssen sich selbst ohne bürgerlich-bürokratische Apparate organisieren. In ihr ist kein Platz für von ihrer Organisation bezahlte hauptamtliche FunktionärInnen. Das würde nur das BerufspolitikerInnen- und Bonzentum in ihren Reihen reproduzieren. Allerdings haben die einzelnen SozialrevolutionärInnen unterschiedliche praktische und geistige Fähigkeiten sowie unterschiedlich viel Zeit für ihre Organisation. Dies kann zu bürokratischen und autoritären Tendenzen führen. Die Organisationen der SozialrevolutionärInnen müssen deshalb einen permanenten Kampf gegen Bürokratisierungstendenzen führen.

Organisationsform der SozialrevolutionärInnen kann nicht der Zentralismus sein, Dieser ist eine staatsförmige Organisationsform. Sozialrevolutionäre Individuen und Gruppen müssen sich in Föderationen zusammenschließen. Diese Föderationen dürfen nicht an Ländergrenzen halt machen, sondern einen globalen Anspruch haben, auch wenn sie diesem am Anfang noch nicht oder nur eingeschränkt entsprechen können. Sozialrevolutionäre Gruppen können auf der Basis einer gemeinsamen theoretischen Tätigkeit, aber bei räumlicher Trennung gegründet werden. Auch die Organisation in Ortsgruppen ist möglich und wünschenswert. Die Herausbildung revolutionärer Betriebsgruppen ist dagegen auf Grund der heutigen zahlenmäßigen Schwäche der SozialrevolutionärInnen sehr schwierig, sind aber eine Möglichkeit der Zukunft.

Was dagegen SozialrevolutionärInnen lassen sollten, ist sich auf der Grundlage des Geschlechtes oder der Hautfarbe – zum Beispiel in Form von Frauengruppen oder solchen von „Schwarzen“ – zu organisieren. Rassismus und Sexismus können nicht durch eine Identitätspolitik bekämpft werden – die vielmehr Ausdruck des Konkurrenzkampfes aller gegen alle ist – sondern nur durch den sozialrevolutionären Universalismus, der sich auf die mögliche Herausbildung des Weltproletariats als eine feste globale Kampf- und Solidargemeinschaft stützt, die sich vielleicht selbst aufhebt und in einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft aufgeht. Auch die Organisation der SozialrevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten strebt bewusst die eigene Aufhebung und das Aufgehen in der revolutionären Klassenkampforganisation des Weltproletariats und schließlich in der globalen klassen- und staatenlosen Gesellschaft als Möglichkeit an.

Comments are closed.