5. Der antiparlamentarische und gewerkschaftsfeindliche Linkskommunismus
Wir wollen hier die Entwicklung des deutsch-niederländischen und des italienischen Linkskommunismus darstellen. Beginnen wir mit dem Linkskommunismus in Deutschland. Die meisten radikalmarxistischen ProletarierInnen und Intellektuellen waren in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg in der Sozialdemokratie desorganisiert. Sie waren objektiv das revolutionäre Feigenblatt einer sozialreformistischen – also sozialreaktionären! – Partei. Eine rühmliche Ausnahme war der spätere rätekommunistische Intellektuelle Franz Pfemfert, der schon vor 1914 das staatstragend-nationale Wesen der deutschen Sozialdemokratie in deutlichen Worten hart auseinandernahm (siehe auch Kapitel III.6). Seit Februar 1911 brachte er die radikale Zeitschrift Die Aktion heraus. Unsere heutigen antinationalen Positionen haben wir SozialrevolutionärInnen auch Pionieren wie Pfemfert zu verdanken. Auf die kapitalistische Zivilisationsbarbarei des Ersten Weltkrieges reagierte er mit der Gründung der kleinen, aber wichtigen Antinationalen Sozialistischen Partei (ASP).
Aber auch innerhalb der Sozialdemokratie radikalisierten sich die marxistischen Intellektuellen und ArbeiterInnen. Der radikale Marxist Karl Liebknecht überwand im Dezember 1914 als erster und einziger Reichstagsabgeordnete der SPD die Fraktionsdisziplin und stimmte gegen die Kriegskredite. Die radikalen MarxistInnen um Luxemburg und Liebknecht lehnten den imperialistischen Krieg aus revolutionärer Perspektive klar und grundsätzlich ab. Im März 1916 schlossen sich viele von ihnen zum Spartakusbund zusammen. In der SPD entwickelte sich neben dem Spartakus-Bund auch eine gemäßigtere Oppositionsgruppe, der sich schließlich auch Kautsky und Bernstein anschlossen. Diese Strömung befürwortete das globale Gemetzel zwar als „nationalen Verteidigungskrieg“, verurteilte aber dessen imperialistischen Charakter und richtete sich gegen jede Annexionsbestrebung. Diese schwammige Haltung war natürlich objektiv reaktionär. Anfang 1916 trennte sich im Reichstag diese gemäßigte Oppositionsströmung als „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“ von der SPD-Fraktion. Im April 1917 schlossen sich die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft und der Spartakusbund zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) zusammen. Der Spartakusbund behielt zwar seine organisatorische Selbständigkeit, objektiv muss aber dessen Mitgliedschaft in diesem sozialdemokratischen Verein ganz klar als eine konservative Tendenz – besonders von Rosa Luxemburg – betrachtet werden. Und dass in einer Zeit, die den konsequenten Bruch mit der Sozialdemokratie erforderte.
Genau aus diesem Grunde blieb ein Teil der radikalen MarxistInnen vom Spartakusbund organisatorisch getrennt. Das waren zum Beispiel die „Bremer Linken“ um die von Johannes Knief und Paul Fröhlich herausgegebenen Zeitung Arbeiterpolitik und die Gruppe um die in Berlin erscheinenden Lichtstrahlen um Julian Borchardt. Die Bremer und Berliner radikalen MarxistInnen schlossen sich Ende 1915 zu den Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD) zusammen. Später kamen Gruppen in Hamburg, Dresden – in der auch der spätere Pionier des Rätekommunismus, Otto Rühle, aktiv war – und anderen Städten hinzu. Diese Organisation war in wesentlichen Punkten – zum Beispiel im Bruch mit der Sozialdemokratie – konsequenter als der Spartakusbund. Die Hamburger MarxistInnen um Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim unterstützten zwar die ISD, aber sie lehnten deren Internationalismus ab. Sie formulierten schon während des Krieges ihre reaktionäre nationalbolschewistische Ideologie. Der radikale Marxismus wurde dann während der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) wie der Anarchosyndikalismus der geistige Überbau einer sich weiter radikalisierenden starken Minderheit des Proletariats.
Während der Novemberrevolution von 1918 stürzten die ProletarierInnen und Soldaten den Kaiser und beendeten den Ersten Weltkrieg. Sie schufen sich ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe ihrer klassenkämpferischen Selbstorganisation. Die Mehrheit des Proletariats war aber noch nicht sozialrevolutionär. Die Räte waren durch sozialdemokratische FunktionärInnen und Politbonzen von innen deformiert und waren nur potenzielle, aber keine wirklichen Organe einer revolutionären Klassenkampforganisation. Deshalb gelang es auch den sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die Räte zugunsten einer parlamentarischen Demokratie bis Ende 1919 zu zerschlagen (siehe Kapitel V.3). Doch es entwickelten sich in diesem Jahr Massenstreiks in Oberschlesien, im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in Berlin. Dazu kamen bewaffnete Kämpfe und die embryonale Errichtung von „Räterepubliken“ (unter anderem in Bremen und München). Letztere waren eine Mischung aus einer Radikalisierung des Klassenkampfes und einer radikalen Parteipolitik (KPD und USPD, teilweise auch SPD). Doch das „Radikalste“ was politische Parteien organisieren können, ist die Verstaatlichung des Kapitals, was sich in der Praxis als sozialreaktionärer Staatskapitalismus erwies. Die radikalen ParteimarxistInnen, von denen sich später nicht wenige zu Links- und RätekommunistInnen entwickelten, kämpften für das Rätesystem, was aber damals noch eher mit einem illusorischen „ArbeiterInnenstaat“ (= staatskapitalistische Parteidiktatur) als mit einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft in Bezug gesetzt wurde. Die SPD-Führung verbündete sich als politische Hauptkraft der Konterrevolution mit W Die Organisation gründete sich am 15. Dezember 1918 formal und offiziell als lose Föderation von lokalen Gruppen und nannte sich in Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD) um. Die IKD war die erste kommunistische Organisation Deutschlands, inoffiziell bestand sie bereits ab dem 23. November 1918. Sie vertrat radikalmarxistische Ansichten, die sich später nicht mit dem Leninismus vereinbar erwiesen. Die IKD lehnte einen zentralistischen Parteiaufbau, den parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus ab.
Der Spartakusbund wirkte noch innerhalb der USPD. Sowohl dem Spartakusbund als auch dem IKD gelang es während der Novemberrevolution in den größten deutschen Städten Organisationen zu bilden. Auch im Spartakusbund setzte sich allmählich die Erkenntnis von der Notwendigkeit des organisatorischen Bruches mit der USPD durch. Im Gegensatz zum zentristischen linken Flügel der USPD, die Revolutionären Obleute, die nicht bereit waren organisatorisch und ideologisch mit der Sozialdemokratie zu brechen. Die Revolutionären Obleute unter der Führung von Richard Müller traten in Worten für das Rätesystem als Diktatur des Proletariats und gegen die parlamentarische Demokratie ein, passten sich aber praktisch der demokratischen Konterrevolution an.
Die Führung des Spartakusbundes vollzog diesen Bruch mit der USPD viel zu spät und inkonsequent. Ende Dezember 1918 kam es in Berlin zur Verschmelzung von Spartakusbund und IKD zur Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund), (KPD (S)). Auch die Antinationale Sozialistische Partei (ASP) um Franz Pfemfert ging in der neuen Formation auf. Viele Mitglieder der IKD – zum Beispiel Johann Knief – waren davor hinsichtlich einer Verschmelzung mit dem Spartakusbund skeptisch. Das staatskapitalistische Lenin/Trotzki-Regime schickte den bolschewistischen Berufspolitiker Karl Radek nach Deutschland, um die SkeptikerInnen innerhalb der IKD umzustimmen. Trotz ihrer teilweisen konträren Positionen zum Leninismus (Ablehnung des Parlamentarismus, eines zentralistischen Parteiaufbaues und dem Wirken innerhalb der reformistisch-sozialreaktionären Gewerkschaften), hatten auch die radikalsten MarxistInnen damals noch große Illusionen in den Bolschewismus. Dadurch gelang es Radek die Mehrheit von der IKD von der angeblichen Notwendigkeit des Zusammenschlusses mit dem Spartakusbund zu überzeugen. Später gehörten viele ehemalige Mitglieder der IKD den radikalen Abspaltungen von der „K“PD an.
Der Bruch mit der sozialdemokratischen Tradition erfolgte auf dem Gründungsparteitag der KPD am 31. Dezember 1918 nicht so konsequent wie es aus heutiger Sicht notwendig gewesen wäre – aber wesentlich konsequenter als sich das die Führung des Spartakusbundes gedacht hatte. Der Parteitag reproduzierte die Organisationsform der Partei und die Inkonsequenz des radikalen Marxismus in der Staatsfrage. So gab es zwischen der Führung der KPD (S) um Luxemburg und Liebknecht und der radikaleren Basis kein Dissens in der Frage des revolutionären Sturzes des sozialdemokratischen Ebert-Regimes. Allerdings waren auch die radikalsten VertreterInnen des Marxismus damals noch nicht für die Zerschlagung des Staates, sondern für die Errichtung eines „ArbeiterInnenstaates“, den Rosa Luxemburg, anlehnend an das bolschewistische Beispiel, eine „Lenin-Trotzki-Regierung“ nannte (siehe dazu: Gründungsparteitag der KPD, Die Nationalversammlung, in: Teo Panther (Hg.), Alle Macht den Räten!, Bd. II., Rätemacht in der Diskussion, Unrast-Verlag, Münster 2007, S. 318.) Doch ein solcher angestrebter „ArbeiterInnenstaat“ konnte in der Praxis nur ein staatskapitalistisches Regime sein.
Und auch die angestrebte Eroberung der politischen Macht durch die KPD (S) war Konsens zwischen Parteiführung und Basis. Rosa Luxemburg formulierte schon vor der Parteigründung, der Spartakusbund werde „nie anders die Regierungsgewalt übernehmen als durch den klaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in ganz Deutschland“. (Rosa Luxemburg, Was will der Spartakusbund, zitiert nach: Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-1923, a.a.O., S. 112.) Einige antileninistische MarxistInnen benutzen dieses Zitat um den theoretischen Gegensatz von Luxemburg und Lenin zu betonen. Völlig zu Unrecht, wie wir nachmarxistischen und nachanarchistischen KommunistInnen meinen. Denn Rosa Luxemburg stellte sich wie Lenin und alle radikalen MarxistInnen dieser Zeit die soziale Revolution als die Eroberung der Staatsmacht durch die „ArbeiterInnenpartei“ vor. Doch auch die radikalste „ArbeiterInnenpartei“ und der konsequenteste „ArbeiterInnenstaat“ können nur bürgerlich und staatskapitalistisch sein. Auch dass Rosa Luxemburg die politische Macht nur mit der Zustimmung der Mehrheit des Proletariats erobern wollte, drückte keinen grundsätzlichen Gegensatz zu Lenin aus. Die Oktoberrevolution von 1917 war ein Staatsstreich mit anfänglicher proletarischer und kleinbäuerlicher Massenbasis. Diese Massenbasis beruhte selbstverständlich auf Illusionen. Als das revolutionäre Proletariat die Illusionen in den Bolschewismus verlor, wurde es vom letzteren konterrevolutionär niedergeschlagen. Rosa Luxemburg begrüßte auch trotz aller Kritik an den Bolschewiki die Oktoberrevolution prinzipiell – so wie alle damaligen radikalen MarxistInnen und viele AnarchistInnen weltweit.
Die KPD (S) erstrebte also objektiv die Eroberung der politischen Macht durch einen Staatsstreich mit proletarischer Massenbasis. Das war objektiv eine reaktionäre Tendenz und auch in Deutschland wegen der Stärke der Bourgeoisie nicht möglich, so wie dies wegen der Schwäche von Bourgeoisie und Proletariat in Russland möglich gewesen war. In Deutschland war nur der Sieg der bürgerlichen Konterrevolution oder der Sieg der wirklichen sozialen Revolution, das heißt, die Zerschlagung des Staates und die Aufhebung der Warenproduktion als Beginn der Weltrevolution, möglich. Doch die KPD (S) reproduzierte die staatskapitalistische Ideologie des Parteimarxismus. Das hieß nichts anderes, dass sich auch die subjektiv radikalsten RevolutionärInnen über das Wesen der sozialen Revolution noch nicht im Klaren waren. Die subjektiven Bedingungen für eine siegreiche soziale Revolution waren also Ende 1918 nicht gegeben.
Wenn der Gründungsparteitag der KPD (S) auch die staatskapitalistisch-reaktionären Tendenzen des Marxismus reproduzierte, gelang es der radikalen Basis die Reproduktion des Parlamentarismus, den die Führung um Luxemburg, Liebknecht und Levi organisieren wollte, zu verhindern. Die Parteizentrale um Luxemburg vertrat die Pseudodialektik, dass es der beste Kampf gegen die Nationalversammlung als Symbol der konterrevolutionären Demokratie sei, wenn die KommunistInnen sich als deren GegnerInnen am Wahlzirkus beteiligen würden. Der Parlamentarismus war neben den staatskapitalistischen Tendenzen eine der reaktionärsten Bestandteile des sozialdemokratischen Parteimarxismus, den der Partei-„Kommunismus“ reproduzierte. Auch da gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Luxemburg und Lenin – aber einen grundsätzlichen zwischen den beiden radikalen SozialdemokratInnen und der kommunistischen Basis auf dem Gründungsparteitag der KPD. Erfahrene marxistische Intellektuelle und junge leidenschaftliche RevolutionärInnen ließen sich auf den abgestandenen Parlamentarismus, den Luxemburg & Co. wieder aufwärmen wollten, nicht mehr ein. Der Parlamentarismus als parteimarxistische Taktik war und ist immer sozialreaktionär, sowohl in nichtrevolutionären Zeiten als auch in revolutionären Situationen. Er erzieht die ProletarierInnen zu braven demokratischen Untertanen, die die regierenden und staatskonform-oppositionellen Charaktermasken des Kapitals ermächtigen, zu Stimmvieh. Der Parlamentarismus machte die sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen als die hinterhältigsten, abgefeimtesten und ekelhaftesten Lakaien der Bourgeoisie groß. Die kommunistische Basis der KPD verhinderte gegen das Votum der entstehenden Parteibürokratie mit 62 gegen 23 Stimmen, dass sich die Partei an den Wahlen zur Nationalversammlung beteiligte.
Auch in der Gewerkschaftsfrage standen sich die entstehende Parteibürokratie und Basis gegensätzlich gegenüber. Luxemburg bevorzugte die angeblich „revolutionäre Arbeit“ in den bestehenden sozialdemokratischen Gewerkschaften, die doch bereits im Krieg und in der Novemberrevolution offen ihr sozialreaktionäres Gesicht gezeigt hatten. Die revolutionären ProletarierInnen verließen damals massenhaft diese konterrevolutionären Organisationen. Die kommunistische Basis der KPD hatte bereits auf dem Gründungsparteitag gegen die linkssozialdemokratische Führung um Luxemburg die Losung „Raus aus den Gewerkschaften!“ verfochten, was absolut den Notwendigkeiten der revolutionären Situation entsprach, wenn auch nicht der Befindlichkeit der Mehrheit des Proletariats. Doch RevolutionärInnen müssen die Notwendigkeiten des Klassenkampfes zum Ausdruck bringen und nicht die sozialreformistische Befindlichkeit der rückschrittlichen Teile des Proletariats. Die Entstehung der revolutionären Industrieunionen ab Ende 1919, die theoretisch von einem radikalen Marxismus getragen wurden, gab auch hier der radikalen KPD-Basis und nicht der entstehenden Parteibürokratie Recht. Wäre es in der Gewerkschaftsfrage ebenfalls zu einer Abstimmung gekommen, dann hätte sich der Flügel um Luxemburg eine zweite Niederlage eingehandelt. Doch Rosa Luxemburg konnte von ihrer Erfahrung als langjährige sozialdemokratische Politikerin zehren, so vertagte sie die Gewerkschaftsfrage auf den nächsten Parteitag, auf dem es dann tatsächlich zur Spaltung in dieser Frage kam.
Die gesamtgesellschaftliche Konterrevolution in Deutschland wurde durch eine parteiinterne Konterrevolution innerhalb der KPD ergänzt, den der moskauhörige Apparat gegen die revolutionären ProletarierInnen und Intellektuellen durchführte. Die KPD war vom Dezember 1918 bis zum Oktober 1919 vom Widerspruch geprägt, dass sie als mit Moskau verbandelte Partei objektiv reaktionär war – aber dennoch stark von der revolutionären Subjektivität der Mehrheit ihrer Mitglieder geprägt war. Doch der strukturelle konterrevolutionäre Charakter der „kommunistischen“ Parteibürokratie als Anhängsel der Kreml-Herren musste sich früher oder später gegen die revolutionäre Subjektivität vieler BasisaktivistInnen durchsetzen. Paul Levi, nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg der „kommunistische“ Oberbonze, führte in der Gewerkschaftsfrage und der des Parlamentarismus seinen Kampf gegen den radikalen Flügel der Partei.
Während des Jahres 1919 begannen sich Industrieunionen als klassenkämpferisch-revolutionäre Alternativen zum konterrevolutionären Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) herauszubilden, welche vom radikalen Flügel der KPD klar unterstützt wurden. Levi und der gesamte Apparat der „K“PD setzte dagegen auf die Eroberung der ADGB-Bürokratie durch „kommunistische“ Parteibonzen. Doch eine solche „kommunistisch“ eroberte Gewerkschaftsbürokratie hätte natürlich am strukturell sozialreaktionären Charakter der Gewerkschaften gar nichts geändert. Doch es war klar, dass wenn Levi im Verbund mit Moskau gegen den radikalen Flügel die opportunistische Anpassung an den ADGB durchsetzen würde, die Partei eindeutig eine „K“PD werden würde.
Um seine konterrevolutionäre Linie durchzusetzen, musste der Apparat die subjektiv ehrlichen RevolutionärInnen aus der Partei rausschmeißen. Dies tat er auch auf dem Heidelberger Parteitag vom 20. bis 24. Oktober 1919. Dieser Parteitag setzte die sozialreformistische Gewerkschaftspolitik der „K“PD-Führung gegen eine Mehrheit der Partei, die ungefähr etwas über 50 Prozent lag, durch. RevolutionärInnen, die diese opportunistische Anpassung an den ADGB ablehnten, wurden aus der Partei gedrängt. Dies kann mensch nicht anders als innerparteiliche Konterrevolution bezeichnen. Während die deutsche Bourgeoisie mit Hilfe der Sozialdemokratie (SPD und USPD) die letzten Reste des Rätesystems liquidierte, schmissen die „kommunistischen“ Parteibonzen die konsequentesten KämpferInnen für das Rätesystem aus ihrem moskauhörigen Verein raus!
Im Gegensatz zu den Selbsttäuschungen vieler LinkskommunistInnen, die sich subjektiv für die einzig wahren Bolschewiken in Deutschland hielten, wurde der Apparat der „K“PD vom Lenin/Trotzki-Regime unterstützt. Der für Deutschland zuständige bolschewistische Bürokrat Radek verteidigte dann auch ideologisch und praktisch die „K“PD-Führung um Levi, während der großartige marxistische Theoretiker Anton Pannekoek für die LinkskommunistInnen seine Lanze brach. Später, im April/Mai 1920 schrieb der Oberbolschewik Lenin gegen die LinkskommunistInnen sein sozialreaktionäres Buch Der „linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit des Kommunismus, in dem er gegen die wirklichen RevolutionärInnen die Parteidiktatur gegen die proletarische Klassendiktatur, den sozialreformistischen Parlamentarismus gegen den revolutionären Antiparlamentarismus und das reaktionäre GewerkschafterInnentum gegen die revolutionäre Selbstorganisation im Klassenkampf verteidigte.
Ihren nichtrevolutionären Charakter zeigte die „K“PD während des Kapp-Putsches von 1920. Die Putschisten erklärten am 13. März die alte Regierung für abgesetzt und die Nationalversammlung für aufgelöst. Außerdem drohten sie jeden Widerstand gegen ihr Regime mit der Todesstrafe zu ahnden. Ihr Putsch hatte ein Militärregime zum Ziel und sollte mittelfristig die Monarchie restaurieren. Die demokratische Regierung flüchtete vor dem Putsch nach Dresden und am 14. März weiter nach Stuttgart. Während vor dem Putsch das demokratische Regime mit Hilfe des Militärs das klassenkämpferische Proletariat blutig bekämpft hatte, konnte die sozialreaktionäre Demokratie jetzt nur noch durch das klassenkämpferische Proletariat gerettet werden. So erließen Teile der Regierung einen Streikaufruf gegen den Kapp-Putsch, von dem sie sich dann jedoch wieder distanzierten, als sie von der kapitalistischen Reaktion unter Druck gesetzt wurden. Schließlich riefen die MSPD, die USPD und der ADGB zum Generalstreik auf.
Dieser setzte am 15. März 1920 mit voller Wucht ein. Die demokratische Ideologie in den Köpfen der meisten ProletarierInnen war 1918/19 ein Haupthindernis gewesen, um die Revolution weiterzutreiben. Nur eine bedeutende Minderheit des Proletariats kämpfte gegen den demokratischen Parlamentarismus und für das Rätesystem als Form der proletarischen Diktatur. Aber das demokratische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats, welches ein Weitertreiben der Revolution 1918/19 verhinderte, ließ aber im März 1920 eben auch keinen erfolgreichen Militärputsch zu. So beteiligten sich am Generalstreik 12 Millionen Menschen. Im ganzen Land wehrte sich das Proletariat gegen das putschende oder „neutrale“ Militär – aber leider stark unter dem Einfluss der demokratischen Ideologie stehend. Doch im Kampf preschte auch die bedeutende sozialrevolutionäre Minderheit des Landes vor und zog die schwankende Mehrheit in den Kampf. So entwickelten sich bewaffnete Kämpfe zwischen Proletariat und Militär unter anderem in den Vororten von Berlin, in Leipzig und in Halle. Am radikalsten geschah dies im Ruhrgebiet, wo sich eine Rote Ruhrarmee bildete. Von großer Wichtigkeit war auch, dass das während der Novemberrevolution weitgehend passive Landproletariat in den Ostelbischen Gebieten (Schlesien, Mecklenburg, Pommern, Ostpreußen) als geographisch-sozialer Hauptbasis der Putschisten gemeinsam mit dem Industrieproletariat gegen die junkerlich-militaristische Konterrevolution kämpfe – außer in Ostpreußen.
Eine sozialrevolutionäre Strömung hätte am Klassenkampf gegen den Kapp-Putsch teilnehmen müssen – ohne sich opportunistisch an die demokratische Fraktion der Konterrevolution anzupassen. Proletarische RevolutionärInnen mussten gegen Kapp kämpfen, durften aber unter keinen Umständen die Demokratie gegen den Militärputsch verteidigen. Sie durften sich nicht der Politik von SPD und USPD unterstellen, die eine Verteidigung der Demokratie organisierten. RevolutionärInnen mussten im gemeinsamen Kampf mit ihren reformistischen KollegInnen und Klassengeschwistern in einem interaktiven Dialog folgende Fakten verdeutlichen: „Der Kapp-Putsch ist nicht mehr als ein Familienkrach innerhalb der kapitalistischen Sozialreaktion. Sobald er mit Hilfe der ArbeiterInnenklasse niedergeschlagen ist, werden sich Demokratie und Militär wieder gegen das klassenkämpferische Proletariat verbünden. Wir dürfen nicht die Demokratie, die auch nur eine besondere politische Form der kapitalistischen Diktatur darstellt, verteidigen, sondern wir müssen den Kapitalismus bekämpfen!“
Wie verhielt sich die „K“PD? Das ganze Verhalten der Partei während des Kapp-Putsches war eindeutig nicht sozialrevolutionär. Die „K“PD-Zentrale war nach der Organisierung der innerparteilichen Konterrevolution gegen die „Ultralinken“ nichts weiter als ein Haufen von Moskau abhängiger Partei-Bonzen, der praktisch-geistig total vom klassenkämpferischen Proletariat isoliert war. So erklärte die „K“PD-Führung am 13. März 1920, kurz vor dem größten Generalstreik in der Geschichte Deutschlands folgenden Unsinn: „Sollen sich die Arbeiter in diesem Augenblick zum Generalstreik erheben? Die Arbeiterklasse, die gestern noch in Banden geschlagen war von den Ebert-Noske, waffenlos, unter schärfstem Unternehmerdruck, ist in diesem Augenblick nicht aktionsfähig. Wir halten es für unsere Pflicht, das klar auszusprechen. Die Arbeiterklasse wird den Kampf gegen die Militärdiktatur aufnehmen in dem Augenblick und mit den Mitteln, die ihr günstig erscheinen. Dieser Augenblick ist noch nicht da. Er ist da, wenn das Gesicht der Militärdiktatur sich enthüllt haben wird.“ (Zitiert nach: Generalstreik und Aufstand gegen den Kapp-Putsch, in:SAV, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Köln 1994, S. 20.) Die „K“PD versuchte also den Generalstreik zu verhindern! Doch zum Glück ging es nicht nach ihr. Die angebliche „Avantgarde des Proletariats“ wirkte hier eindeutig als Bremse, die sich dann später als Schwanz der Streikbewegung anschloss.
Neben diesem SektiererInnentum setzte sich in Teilen der „K“PD auch eine sozialreaktionäre Einheitsfront mit der SPD und USPD durch. Wie wir schon oben schrieben, mussten RevolutionärInnen am Klassenkampf gegen den Kapp-Putsch teilnehmen und gleichzeitig versuchen ihn zu radikalisieren: zum generellen Kampf gegen den Kapitalismus, ohne die Demokratie gegen den Putsch zu verteidigen. Selbstverständlich mussten RevolutionärInnen auch unabhängig von der objektiv reaktionären Politik von SPD, USPD und „K“PD bleiben. Auch die „K“PD-Bonzen passten sich der sozialdemokratischen Konterrevolution an. So hätten SozialrevolutionärInnen zum Beispiel in Chemnitz am Kampf gegen den Kapp-Putsch teilnehmen müssen, sie hätten sich aber auf keinem Fall an dem Aktionskomitee aus SPD, USPD, „K“PD und den Gewerkschaften beteiligen dürfen, um auch in der Aktion unabhängig von der objektiv reaktionären institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zu bleiben. An den Aktionen der Chemnitzer ArbeiterInnenwehr, welche in Abwesenheit der Truppen die Führung in der Stadt übernahm und Rathaus, Post und Bahnhof besetzten, hätten SozialrevolutionärInnen selbstverständlich teilnehmen müssen – aber eben organisatorisch und geistig getrennt von der politischen Führung bzw. Bremse dieses Kampfes.
Der gewaltige Generalstreik und der bewaffnete proletarische Widerstand brachen dem Kapp-Putsch das Genick. Bereits am 17. März 1920 traten die Putschisten zurück. Kapp und seine engsten Mitputschisten flohen ins Ausland und überließen wieder dem demokratischen Flügel der Konterrevolution die politische Verantwortung für den Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der Familienkrach innerhalb der kapitalistischen Sozialreaktion war durch das Eingreifen des Proletariats beendet worden, nun schloss die kapitalistische Familie nur einige besonders schwarze Schafe aus und hielt ansonsten wieder fest zusammen gegen die ArbeiterInnen. Zunächst mussten die Bourgeoisie und ihre Kopf- und Handlanger den Generalstreik zum Stehen bringen und den bewaffneten proletarischen Widerstand – besonders in Mitteldeutschland und an der Ruhr – brechen. Die demokratische Konterrevolution schlug dann auch mit brutaler Gewalt die bewaffneten Formationen von Max Hoelz (Mitteldeutschland) und die Rote Ruhrarmee nieder.
Während des Jahres 1920, als die „K“PD durch ihre Mischung aus SektiererInnentum und Sozialreformismus zeigte, dass sie keine revolutionäre Kraft war, schuf sich der radikale Marxismus seine eigenen Organisationen. Nämlich die Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) und die antiparlamentarische und gewerkschaftsfeindliche Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD).
Der niederländische Rätekommunist Henk Canne Meijer schrieb 1938 über die Entwicklung der marxistisch geprägten sowie zuerst mit dem revolutionären KPD-Flügel und später mit der KAPD verbundenen Unionen in Deutschland: „Sie entstanden hier und da, spontan und eigenständig, im Verlauf der wilden Streiks (so z.B. bei den Bergarbeitern im Ruhrgebiet 1919). Es gab eine Tendenz zur Vereinigung aller dieser Organisationen, um eine geschlossene Front gegen die Bourgeoisie und ihre Helfershelfer zu bilden. Diese Initiative ging im April des Jahres 1920 von den großen Häfen, Hamburg und Bremen, aus. (Anmerkung von Nelke: Diese Angabe von Canne Meijer ist ungenau. In Wirklichkeit gründete sich die AAUD im Februar 1920. Die folgenden Angaben von Canne Meijer beziehen sich auf dem Februar 1920.) Eine erste Vereinigungskonferenz, an der Delegierte aus allen wichtigen Industrieregionen Deutschlands teilnahmen, fand in Hannover statt. Die Polizei schritt ein und verbot den Kongress. In Wirklichkeit aber war diese allgemeine, geeinigte Organisation schon gebildet; sie konnte die wichtigsten ihrer Aktionsprinzipien klar formulieren. Diese Organisation gab sich den Namen ,Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands‘ (AAUD). Die AAUD hatte zum wichtigsten Prinzip den Kampf gegen die Gewerkschaften erhoben, und damit die Ablehnung des Parlamentarismus. Jede der Organisationen, die Mitglied der Union waren, hatte das Recht auf größtmöglichste Unabhängigkeit und zur größten Freiheit in der Wahl ihres taktischen Vorgehens.
Zu dieser Zeit zählten die Gewerkschaften in Deutschland die meisten Mitglieder die sie jemals hatten, und an die sie bis heute nicht mehr herangekommen sind. Allein die unter sozialistischer Kontrolle stehenden Gewerkschaften umfassten mehr als 8 Millionen beitragszahlender Mitglieder. Die christlichen Gewerkschaften hatten mehr als 1 Million Mitglieder, die ,gelben‘ Gewerkschaften (also eindeutig kapitalnahe Organisationen, Anmerkung von Nelke) zählten fast 300 000 Mitglieder in ihren Reihen. Außer diesen gab es auch noch anarcho-syndikalistische Organisationen sowie auch einige andere, die etwas später dann der von Moskau gelenkten RGI (Rote Gewerkschafts-Internationale) beitraten. Ganz zu Anfang zählte die AAUD nur 80.000 Arbeiter (April 1920), aber sie gewann rasch an Umfang, und gegen Ende 1920 ging die Zahl ihrer Mitglieder schon auf 300.000.“ (Henk Canne Meijer, Die Arbeiterrätebewegung in Deutschland, in: Teo Panther (Hg.), Alle Macht den Räten!, Bd. II, Rätemacht in der Diskussion, a.a.O., S. 418/419.)
Die AAUD war also eine revolutionäre Klassenkampforganisation der radikalsten Teile des Proletariats, welche durch ihren klaren und eindeutigen Bruch mit dem Tarifvertragssystem und den sozialpartnerschaftlichen Betriebsräten eindeutig keine Gewerkschaft mehr war. Aber sie war eindeutig kleiner als die Gewerkschaften, was ein Indikator dafür war, dass die Mehrheit des Proletariats subjektiv nicht bewusst sozialrevolutionär war. Es war nicht falsch während der revolutionären Nachkriegskrise die AAUD gegründet zu haben, aber es war klar, dass eine revolutionäre Klassenkampforganisation mit dem Ende der revolutionären Nachkriegskrise nicht mehr möglich war.
Kommen wir nun zur radikalmarxistischen KAPD. Sie war eine antiparlamentarische und antigewerkschaftliche Partei, die zum größten Teil aus den aus der „K“PD ausgeschlossenen radikalen MarxistInnen bestand und die jetzt mehrheitlich ihre Vorstellungen von der „revolutionären Partei“ verwirklichen wollten. Doch eine politische Partei kann objektiv nicht revolutionär sein. An diesem Widerspruch ging auch die KAPD zugrunde. Neben dem Zentrum der KAPD gab es noch den nationalbolschewistisch-reaktionären und den sozialrevolutionär-parteifeindlichen Minderheitenflügel, die jedoch beide bereits im Gründungsjahr 1920 mit der Partei brachen. Der reaktionär-nationalbolschewistische Flügel um Lauffenberg und Wolffheim, wurde bereits im August 1920 aus der KAPD ausgeschlossen. Moskau und die „K“PD stürzten sich bei der ideologischen Bekämpfung der neuen radikalmarxistischen Partei besonders auf den Nationalbolschewismus, um die ganze KAPD zu verleumden. Das war verdammt heuchlerisch und verlogen. Moskau als der große Brotkorb der „K“PD-Bonzen war selbst zu reaktionären Bündnissen mit der deutschen Bourgeoisie bereit. Deshalb tanzte die „K“PD 1923 selbst nach der nationalbolschewistischen Melodie, die ihr Moskau vorspielte. In der KAPD entwickelte sich bereits der parteifeindliche Kommunismus als Minderheitenströmung, mit der wir uns im Kapitel III.6 auseinandersetzen wollen. In diesem Kapitel werden wir auch beschreiben, wie sich die KAPD von den Moskauer Kremlherren und der „K“PD während der Märzkämpfe 1921 in den staatskapitalistischen Putschismus hineinziehen ließ.
Nach den Märzkämpfen von 1921 entwickelte sich jedoch der endgültige Bruch zwischen KAPD auf der einen und dem sowjetischen Staatskapitalismus und der „K“PD auf der anderen Seite. In der Sowjetunion wurde ab 1921 die Neue Ökonomische Politik (NEP) betrieben. Diese beruhte auf staatskapitalistische Produktionsverhältnisse in der Großindustrie und eine kleinbürgerlich-privatkapitalistische Warenproduktion in der Landwirtschaft. Auch in der städtischen Warenproduktion und im Handel entwickelten sich während der NEP kleinbürgerlich-privatkapitalistische Tendenzen. Die NEP war außerdem mit einer wachsenden ökonomischen, politischen und militärischen Kooperation zwischen der Sowjetunion und privatkapitalistischen Nationen verbunden. Wirtschaftlich wurde zum Beispiel der Warenhandel mit den und die direkten ausländischen Direktinvestitionen der USA (produktiver Kapitalexport) in die sowjetische Ökonomie ausgedehnt. Militärisch entwickelte sich eine Kooperation zwischen Reichswehr und „Roter“ Armee. Die „K“PD betrieb nach dem Scheitern des Putschismus im Frühling 1921 wieder ihre sozialreformistische Politik (Parlamentarismus, das Wirken in den reformistisch-reaktionären Gewerkschaften, Einheitsfronten mit der Sozialdemokratie) –, um im Herbst 1923 es abermals mit Putschismus zu versuchen. Während der Besetzung der Ruhr durch den französischen Imperialismus machte die „K“PD im Auftrag der Moskauer Kremlherren auf deutschnational und betrieb eine ekelhafte nationalbolschewistische Politik.
All dies wurde von der KAPD scharf kritisiert. Allerdings idealisierte diese Partei weiter die bolschewistische Machtübernahme durch den Staatsstreich im Oktober 1917 als angebliche proletarische Revolution. Auch der Kriegs-„Kommunismus“ des Lenin/Trotzki-Regimes vor der NEP wurde von der KAPD ideologisch verschleiert. 1927 gab die KAPD die sehr verdienstvolle Broschüre Von der Revolution zur Konterrevolution. Russland bewaffnet die Reichswehr heraus. Darin unterzog sie der militärischen Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und sowjetischen Imperialismus einer scharfen Kritik. Die nationalkapitalistische „K“PD verteidigte diese, womit sie ihrer Rolle als „kommunistischer“ Schwanz des sowjetischen und deutschen Imperialismus voll gerecht wurde. Diese Rolle spielte sie schon 1923, als sie auf Geheiß Moskaus während der Ruhrbesetzung durch den französischen Imperialismus einen deutschnationalen „Befreiungskampf“ führte.In der Broschüre der KAPD heißt es völlig richtig: „Der Leninismus für die Verteidigung kapitalistischer Vaterländer“. (KAPD, Von der Revolution zur Konterrevolution. Russland bewaffnet die Reichswehr, Buchhandlung für Arbeiterliteratur, Berlin 1927, S. 14.)
Die radikalmarxistische Partei lehnte auch die leninistische Behauptung, dass RevolutionärInnen den Nationalismus unterdrückter Nationen unterstützen müssten, ab: „Der Leninismus bewegt sich also im folgenden Widerspruch: Während eines imperialistischen Krieges muss das Proletariat für die Niederlage des eigenen Landes sein, – wenn dieses aber besiegt ist, dann muss es für die Unterstützung ,seiner‘ Bourgeoisie in ihrem Kampf um nationale Unabhängigkeit sein, – und wenn die ,unterjochte‘ Bourgeoisie durch diese proletarische Hilfe wieder Vertreterin einer gleichberechtigten Nation geworden ist, dann muss die Arbeiterklasse wieder die Landesverteidigung ablehnen, – um wieder dafür zu sein, wenn die Niederlage der eigenen Bourgeoisie abermals da ist usw.!! Tatsächlich bedeutet dies: der Leninismus fordert das Proletariat auf, in den angeblich ,fortschrittlich-nationalen Befreiungskämpfen‘ auf den Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie und damit auf den heute allein fortschrittlichen Krieg gegen den Kapitalismus zu verzichten!“ (KAPD, Von der Revolution zur Konterrevolution, a.a.O., S. 13.) Eine ausgezeichnete Kritik des leninistischen Linksnationalismus, bis auf die begriffliche Ungenauigkeit, dass der proletarisch-revolutionäre Klassenkrieg gegen die Bourgeoisie hier als „BürgerInnenkrieg“ bezeichnet wird. Wir ziehen es vor, den Begriff BürgerInnenkrieg ausschließlich für bewaffnete innerkapitalistische Fraktionskämpfe innerhalb von Nationen zu benutzen.
Nach 1921 verlor die KAPD mehr und mehr ihre proletarische Massenbasis. Im Jahre 1922 spaltete sich die Partei in eine „Berliner Richtung“ und in eine „Essener Richtung“ um Alexander Schwab, Arthur Goldstein, Bernhard Reichenbach und Karl Schröder. Die „Essener Richtung“ lehnte die Beteiligung von SozialrevolutionärInnen am reproduktiven Klassenkampf ab. Dies war besonders nach dem absoluten Sieg der Konterrevolution wirklich sektiererisch. SozialrevolutionärInnen müssen am reproduktiven Klassenkampf im Rahmen des Kapitalismus teilnehmen, um ihn durch praktisch-geistige Impulse zu radikalisieren.
Die „Essener Richtung“ der KAPD versuchte 1922 eine Kommunistische Arbeiter-Internationale (KAI) aufzubauen, was die „Berliner Richtung“ der Partei als verfrüht ablehnte. Neben der „Essener Richtung“ in Deutschland gehörten der KAI Gruppen in den Niederlanden um Herman Gorter, in Großbritannien um Sylvia Pankhurst, in Belgien, Bulgarien und unter sowjetischen ExilantInnen an. Die KAI wurde klar von der „Essener Richtung“ der KAPD dominiert und zerfiel 1925.
1926/27 entwickelte sich ein kurzfristiger Zusammenschluss der „Berliner Richtung“ der KAPD mit einer radikalmarxistischen Oppositionsströmung in der „K“PD, den „Entschiedenen Linken“ um den Reichstagsabgeordneten Ernst Schwarz. Schwarz weigerte sich aber entgegen den antiparlamentarischen Prinzipien des Linkskommunismus sein Abgeordnetenmandat niederzulegen, wie es auch eine Minderheit der Mitglieder forderte. Diese Minderheit trat aus und gruppierte sich um die Zeitschrift Vulkan.
1931/32 gründeten ehemalige Mitglieder der Essener Richtung der KAPD, wie zum Beispiel Bernhard Reichenbach, Arthur Goldstein, Karl Schröder und Alexander Schwab, die Roten Kämpfer. Diese antiparlamentarisch-radikalmarxistische Gruppe wirkte innerhalb der Sozialdemokratie, was natürlich kritikwürdig ist. Zuerst innerhalb der Sozialistischen Arbeiter-Jugend, der Jugendorganisation der SPD, später in ihrer linken Abspaltung Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Sie trat für eine „revolutionäre Partei“ ein, erkannte aber auch die Bedeutung der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats, welche sie der trotzkistischen Einheitsfrontpolitik – der blutbefleckte Henker von Kronstadt trat damals in Deutschland für eine antifaschistische Einheitsfront aus SPD und „K“PD ein (siehe Kapitel II.8) – entgegenstellten. Nur wenn das klassenkämpferische Proletariat die Weimarer Republik revolutionär zerschlagen hätte, hätte es auch den deutschen Faschismus verhindern können.
Auch wenn die Roten Kämpfer sich in den Grenzen des Parteimarxismus bewegten, brachen sie doch konsequent mit dem Leninismus. Helmut Wagner stellte für die Organisation die Thesen über den Bolschewismus zusammen, die 1934 auch von der niederländischen rätekommunistische Organisation GIK (siehe Kapitel III.6) veröffentlicht wurden. Sie wurden zu einem Klassiker des marxistischen Antileninismus.Die Thesen über den Bolschewismus symbolisierten den bisher reifsten kommunistischen Bruch mit diesem rotlackierten staatskapitalistischen Antikommunismus. Sie brachen konsequent mit dem Mythos von der Oktoberrevolution als „proletarischer Machergreifung“ Die bolschewistischen BerufspolitikerInnen waren für die Roten Kämpfer keine irrenden proletarischen RevolutionärInnen mehr, die durch die besonderen Umstände Russlands dazu gezwungen waren bürgerliche Politik zu machen, so wie für die Anfänge der revolutionären Kritik am Leninismus. Und das bolschewistische Regime war für die Roten Kämpfer von Anfang an ein bürgerlicher Nationalstaat. Sie warfen dem Bolschewismus nicht wie die Sozialdemokratie vor, über die „bürgerliche Revolution“ hinausgegangen zu sein. Nein, für die Roten Kämpfer waren die Bolschewiki von Anfang an „bürgerliche RevolutionärInnen“. So hieß es in den Thesen über den Bolschewismus: „Der Bolschewismus zeigt alle grundlegenden Wesenszüge bürgerlich-revolutionärer Politik, gesteigert durch die vom Marxismus übernommene Einsicht in die Gesetze der Bewegung der gesellschaftlichen Klassen.“ (Gruppe Internationaler Kommunisten Hollands, Thesen über den Bolschewismus, in: Anton Pannekoek, Paul Mattick u. a., Marxistischer Anti-Leninismus. Eingeleitet von Diethard Behrens, Ca ira Verlag, Freiburg 1991, S. 25.)
Damit reproduzierten die Roten Kämpfer natürlich auch das marxistische Schema von der „bürgerlichen Revolution“. Es gibt aber keine „bürgerlich-revolutionäre Politik“. Bürgerliche Politik kann sich mitunter radikal gebärden und sich gar eine „proletarische Maske“ aufsetzen, aber letztendlich und staatstragend kann sie nur sozialreaktionär und konterrevolutionär sein. So wie der Partei-„Kommunismus“. Für den antipolitischen Kommunismus war der Staatsstreich der bolschewistischen BerufspolitikerInnen im Jahre 1917 sowohl der Höhepunkt der antifeudal-antiprivatkapitalistischen Revolution als auch der Umschlagmoment in die staatskapitalistische Konterrevolution. Aber trotz ihrer Fehler, vergleicht mensch die Thesen über den Bolschewismus mit dem proleninistischen Krampf, den der italienische Linkskommunismus (siehe weiter unten in diesem Kapitel) produzierte, kann mensch eindeutig sagen: Der revolutionäre Antibolschewismus der Roten Kämpfer war eine gewaltige progressive Tendenz!Und ihr Fazit bleibt auch heute noch im Kampf gegen den Leninismus aktuell: „Der Bolschewismus ist (…) als Orientierung der revolutionären Politik (heute sagen wir: revolutionäre Antipolitik) des internationalen Proletariats nicht nur untauglich, sondern ist eines ihrer schwersten und gefährlichsten Hindernisse. Der Kampf gegen die bolschewistische Ideologie, gegen die bolschewistischen Praktiken und demnach gegen alle politischen Gruppen, die ihn erneut im Proletariat verankern wollen, ist eine der ersten Aufgaben im Kampf um die revolutionäre Neuorientierung der Arbeiterklasse“ (Thesen über den Bolschewismus, a.a.O., 43). Noch immer ist der Leninismus in der Lage, antikapitalistische Instinkte durch seine prostaatskapitalistische Politideologie fehlzuleiten. Ihr konsequenter Antileninismus war ein großer Verdienst der Roten Kämpfer.
Zu ihren bekannten Mitgliedern gehörten der Offizier Harro Schulze-Boysen, der Schriftsteller Franz Jung und der spätere – nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland – sozialdemokratische Politbonze und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn. Die parteimarxistische Gruppierung hatte ungefähr 400 Mitglieder. Ihre Zentren waren das Ruhrgebiet, Sachsen und Berlin. Auch der spätere rätekommunistische Theoretiker Willy Huhn hatte Kontakt zu ihr.
Noch bevor die deutsche Staatsexekutive am 30. Januar 1933 die politische Macht an die Nazis übergab und die rechtsstaatliche Transformation von der Demokratie in den deutschen Faschismus begann, gingen die Roten Kämpfer in den Untergrund. Sie gaben alle zwei Monate das Zirkular Der Rote Kämpfer heraus, welches im Frühjahr 1936 in Der Arbeiterkommunist umbenannt wurde. Den Nazis gelang es in den Jahren 1936 und 1937 die Organisation zu zerschlagen. 150 ihrer Mitglieder wurden verhaftet. Viele wurden von den Nazis in KZs und Zuchthäuser eingesperrt. Alexander Schwab starb im Zuchthaus Zwickau und Arthur Goldstein wurde während des großen globalen Abschlachtens von der SS im französischen Exil ermordet.
Neben den Roten Kämpfern gab es noch eine linkskommunistische Widerstandsgruppe, die von den Nazis als „Kommunistische Räte-Union“ bezeichnet wurde. Diese hatte ihren Schwerpunkt in Brauschweig. Sie wurde im Jahre 1934 vom deutschen Faschismus zerschlagen. 20 ihrer Mitglieder wurden verhaftet. Der Kern der Gruppe bestand aus ehemaligen Anhängern der KAPD und verschiedenen Abspaltungen der AAUD, aber ihr gehörten auch SPD-Mitglieder und bis dahin unorganisierte Jugendliche an. Die Kommunistische Räte-Union hatte auch Kontakte zu rätekommunistischen Widerstandsgruppen der Kommunistischen Arbeiter-Union Deutschlands (KAUD, siehe Kapitel III.6) in Berlin und Magdeburg.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben die parteimarxistischen Strömungen beziehungsweise deren Reste (KAPD, „K“PD-Opposition, SAP, der Trotzkismus), die die Restauration des Privatkapitalismus in Westdeutschland bekämpften, marginal, auch weil viele Ex-Mitglieder sich SPD oder „K“PD anschlossen. In Berlin bildete sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus den oben genannten linksparteimarxistischen Strömungen die Sozialistische Arbeitsgemeinschaft „Neues Beginnen“. Bei aller Kritik an den linksparteimarxistischen Strömungen sind wir doch sehr beeindruckt von dem persönlichen Mut ihrer AktivistInnen, wie sie sich den gefährlichen Mühlen des privatkapitalistischen Antikommunismus und des staatskapitalistischen „Kommunismus“ entgegenstellten. Beide Mühlen, die unzählige Menschen zerrieben haben, verrichteten ihr kapitalistisch-mechanisches Werk als Klassenkampf von oben gegen den radikalen Rand der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung als politideologisch entfremdeten Ausdruck des proletarischen Klassenkampfes.
Im Kalten Krieg mussten proletarische RevolutionärInnen sowohl den privatkapitalistischen als auch den staatskapitalistischen Imperialismus bekämpfen. Das taten auch die RätekommunistInnen, LinkskommunistInnen sowie viele AnarchistInnen und AnarchosyndikalistInnen. Die orthodoxen TrotzkistInnen unterstützten dagegen „kritisch“ den sowjetischen Imperialismus im Kalten Krieg, was eindeutig sozialreaktionär war. Auf der anderen Seite entwickelte sich der ehemalige Linkskommunist Alfred Weiland zu einem sozialdemokratischen Antikommunisten. Weiland beteiligte sich in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg am Aufbau antistalinistisch-linkskommunistischer Gruppen. So schuf er das Netzwerk Gruppen Internationaler Sozialisten (GIS) und gab ab 1947 in Berlin die illegale Zeitung „Neues Beginnen“ heraus. Doch Weiland und „Neues Beginnen“ biederten sich dem westlichen privatkapitalistischen Imperialismus und strebten ein sogenanntes „taktisches Bündnis“ mit ihm an, was ebenfalls eindeutig sozialreaktionär war. So unterstützte Weiland auch die militante privatkapitalistisch-antikommunistische „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU), die vom US-Imperialismus ausgehalten wurde – zunächst vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst Central Intelligence Group (CIG) und später von der Central Intelligence Agency (CIA). Diese reaktionären AntikommunistInnen wurden von 1951 bis 1958 vom Sozialdemokraten Ernst Tillich geleitet. Weiland arbeitete auch mit dem Ostbüro der SPD zusammen. Durch die offensichtliche Zusammenarbeit mit proprivatkapitalistisch-antikommunistischen Kräften hatte Weiland die Klassenlinie eindeutig überschritten. Die kommunistische Kritik am Staatskapitalismus geht niemals taktische Bündnisse mit dem proprivatkapitalistischen Antikommunismus ein.
Diese klare Kritik an Weiland hat natürlich auch nichts mit der Rechtfertigung der staatskapitalistischen Repression gegen ihn zu tun. Am 11. November 1950 wurde Weiland von der sowjetischen Geheimpolizei von Westberlin nach Ostberlin entführt. Dort wurde er auch gefoltert und wegen Spionage angeklagt. Doch diese Anklage scheiterte. Danach wurde er dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überführt, welches Weiland und andere Mitglieder seiner Gruppe wegen „Bildung einer trotzkistischen Gruppe“ vor dem Landgericht Greifswald anklagte. Weiland wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das staatskapitalistische Regime sperrte ihn in der Haftanstalt Bützow-Dreibergen und im Zuchthaus Brandenburg-Görden ein. 1958 wurde Weiland vorzeitig aus der Haft entlassen. Er ging nach Westberlin zurück, wurde SPD-Mitglied und passte sich immer stärker dem bürgerlichen Antikommunismus an. Von solchen Positionen aus kritisierte er auch die Entspannungspolitik der SPD-Führung gegenüber dem sowjetisch-osteuropäischen Staatskapitalismus, die Studierendenbewegung von 1968 – welche natürlich auch von sozialrevolutionären Positionen kritisiert werden musste – und auch immer stärker seine eigene linkskommunistische Vergangenheit.
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Der niederländische Links- und Rätekommunismus war damals eng mit dem in Deutschland verbunden. Anton Pannekoek und Herman Gorter waren die bekanntesten revolutionären Intellektuellen der Niederlande, die sich 1919/1920 innerhalb der „Kommunistischen“ Internationale auf die Seite des antiparlamentarischen und gewerkschaftsfeindlichen Flügels der KPD und später der KAPD stellten. Es entwickelte sich zugleich eine antiparlamentarische und gewerkschaftsfeindliche Minderheit in der „Kommunistischen“ Partei der Niederlande („K“PN). Die „kommunistischen“ Parteibonzen begannen 1921 mit dem Segen Moskaus diese Minderheit auszuschließen. Daraufhin gründete die antiparlamentarische und gewerkschaftsfeindliche Strömung die Kommunistische Arbeiterpartei der Niederlande (KAPN). Diese geriet wie in Deutschland in einen Niedergang. 1927 spalteten sich RätekommunistInnen von ihr ab (siehe Kapitel III.6).
Während des Zweiten Weltkrieges bezogen nur radikale Abspaltungen des Trotzkismus, der italienische Linkskommunismus/Bordigismus (siehe weiter unten in diesem Kapitel), der deutsch-holländische Links- und Rätekommunismus und einige AnarchistInnen die revolutionäre Position, dass das imperialistische Gemetzel des Zweiten Weltkrieges auf allen Seiten grundsätzlich zu bekämpfen war. Der offizielle Trotzkismus verteidigte die Sowjetunion „kritisch“ und zeigte damit offen seinen reaktionären Charakter. Die ursprünglich rechts vom orthodoxen Trotzkismus stehende Revolutionär-Sozialistische Arbeiterpartei (RSAP) in den Niederlanden transformierte sich im Zweiten Weltkrieg zur linkskommunistischen Kraft „Marx-Lenin-Luxemburg-Front“ (MLLF), welche die Verteidigung der Sowjetunion ablehnte. Diese MLLF vertrat die richtige Position, dass der Zweite Weltkrieg von allen Seiten ein imperialistischer war. Schließlich näherte sich die MLLF dem Rätekommunismus an und transformierte sich in den Communistenbond Spartacus, konnte sich aber nicht vollständig von parteimarxistischen Organisationsprinzipien lösen. Ende der 1950er Jahre wurde der Communistenbond Spartacus in Spartacusbond umbenannt.
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In Italien besetzte das Proletariat 1919/1920 im Norden in Form der Räte viele Betriebe, versuchte aber nicht revolutionär den Staat zu zerschlagen. Im agrarisch geprägten Süditalien wurde von der sozialistischen und katholischen Bewegung der LandarbeiterInnen zahlreiche Kooperativen gegründet und Großgrundbesitz besetzt. Mit der Verschärfung des proletarischen Klassenkampfes konfrontiert, setzten zahlreiche Bourgeois und GroßgrundbesitzerInnen, aber auch kleinbäuerliche LandbesitzerInnen und städtische KleinbürgerInnen auf eine neue Form der Konterrevolution, den Faschismus. 1919 gründete Mussolini die Organisation Fasci di Combattimento, die sich ab 1921 als Partito Nazionale Fascista als Partei formierte. Der frühe Faschismus stellte eine sozialreaktionäre Massenbewegung von ehemaligen Frontsoldaten dar. Kulturell-intellektuelle Prägung erhielt der Faschismus durch den Futurismus. Materiell-praktisch wurde der Faschismus durch den paramilitärischen Terror der „Schwarzhemden“, der Squadristen. Dieser faschistische Terror, der sich gegen linke Parteibüros, Zeitungen, Kooperativen und andere Projekte richtete, wurde von der liberalen Regierung toleriert.
Mussolini wurde 1922 vom König zum Regierungschef ernannt. Nachdem ein Generalstreik der Sozialistischen Partei scheiterte, organisierte der Faschismus den „Marsch auf Rom“, der jedoch nicht seine Machteroberung darstellte – er wurde von der Staatsexekutive an die Macht gebracht –, sondern eine Machtdemonstration war. Der Faschismus transformierte im Verlauf der 1920er Jahre die pluralistisch-demokratische Mehrparteiendiktatur in seine monolithische Alleinherrschaft. Auch die „Kommunistische“ Partei Italiens wurde nicht sofort, sondern erst 1926 verboten. Am Ende der 1920er Jahre waren alle nichtfaschistischen Parteien und „freien Gewerkschaften“ in die Illegalität gedrängt. Ab Oktober 1935 führte der italienische Faschismus seinen imperialistischen Krieg gegen Abessinien (das Gebiet der heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea).
Die Geburt des italienischen Faschismus war zugleich auch die des linksbürgerlichen Antifaschismus innerhalb des Partei-„Kommunismus“ sowie des linkskommunistischen Kampfes gegen beide zuerst genannte sozialreaktionäre Strömungen. Der partei-„kommunistische“ Politideologe Gramsci wurde in Italien zum Theoretiker des sozialreaktionären antifaschistischen Bündnisses. Auf dem Weg zum staatskapitalistischen „Sozialismus“ sollte die parlamentarische Demokratie gegen den Faschismus verteidigt beziehungsweise erkämpft werden. Der Antifaschist Gramsci war auch durch und durch national.
Durch die Durchsetzung des Antifaschismus in der „Kommunistischen“ Partei Italiens („K“PI) verwandelte sich diese endgültig aus einer kleinbürgerlich-radikalen in eine reformistisch-reaktionäre Kraft. Doch dieser Prozess verlief nicht reibungslos. Die kleinbürgerlich-radikalen Teile der Partei bekämpften den Antifaschismus des rechten Flügels der „K“PI. Der italienische Linkskommunismus beherrschte ursprünglich die Partei. Der Linkskommunist Amadeo Bordiga, der von 1921 bis 1923 – bis er von den FaschistInnen verhaftet wurde – Generalsekretär der „K“PI war, sonderte ja sonst ziemlichen proleninistischen und parteireligiösen sozialreaktionären Müll ab, aber sein Kampf gegen den Antifaschismus war durchaus eine revolutionäre Tendenz. Er lehnte antifaschistische Bündnisse mit Teilen der Bourgeoisie ab und kritisierte auch den Kampf für die demokratischen Narrenfreiheiten, die nur Illusionen in den bürgerlichen Staat schürten. Bordiga wollte also einen revolutionären Kampf gegen den Faschismus führen, aber kein Lakai der Demokratie sein. Außerdem lehnte Bordiga die Beteiligung der „K“PI an den Parlamentswahlen – wenn auch lediglich taktisch, aber nicht prinzipiell und sich in dieser Frage der Disziplin der vom sowjetischen Imperialismus beherrschten „Kommunistischen“ Internationale unterordnend – sowie offizielle politische Einheitsfronten mit der konterrevolutionären Sozialdemokratie ab. Die „kommunistisch“-antifaschistische Sozialreaktion entfernte den wieder aus der Haft entlassenen Bordiga 1924 aus dem Zentralkomitee (ZK) der Partei und 1930 warf sie ihn ganz aus der „K“PI raus. Bordigas Nachfolger als Generalsekretär der „K“PI wurde 1924 der Nationaldemokrat Gramsci. Die von Bordiga beeinflusste linkskommunistische Richtung wurde ab 1926 aus der Partei verdrängt.
Bordiga wurde 1927 von den FaschistInnen zu drei Jahren Verbannung verurteilt, danach zog er sich bis 1944 aus der aktiven Politik zurück. Das war nicht schlecht für den italienischen Linkskommunismus, der sich ohne seinen ideologischen Einfluss teilweise weiter radikalisieren konnte. Seine Subjekte – darunter sehr viele ProletarierInnen – führten in den Gefängnissen Italiens und in der erzwungenen Emigration ihren harten und schweren Kampf gegen nationalkapitalistischen Faschismus und Antifaschismus fort. Der italienische Linkskommunismus brach ab 1928 mit der „K“PI und organisierte sich in lokalen Sektionen sowie städtischen (Paris, Lyon, Brüssel, New York) und „nationale“ Föderationen (Belgien, Frankreich). Er war „italienisch“ von seiner Geburt her, aber international in seiner Ausbreitung und Orientierung. Der italienische Linkskommunismus gab ab 1933 die Zeitung Bilan heraus. Bilan blieb parteimarxistisch und leninistisch, aber war auch prinzipiell antiparlamentarisch und führte einen konsequenten Kampf gegen den Antifaschismus. Auch erkannte Bilan den sozialreaktionären Charakter der nationalen „Befreiung“ in den Kolonien. Weil Bilan jedoch nicht mit dem Parteimarxismus und Leninismus brach, betrachten wir sie als eine kleinbürgerlich-radikale Strömung mit sowohl revolutionären als auch reaktionären Tendenzen.
Betrachten wir zuerst ihre revolutionärste Tendenz. Der italienische Linkskommunismus kämpfte während des Spanischen BürgerInnenkrieges konsequent und kompromisslos gegen die antifaschistische und franquistische Sozialreaktion. Er bekämpfte beide Seiten des kapitalistisch-imperialistischen Krieges. Allerdings hielt nicht die ganze Strömung und Organisation den Druck der Linksreaktion aus. Eine Minderheit spaltete sich ab, begab sich nach Spanien und beteiligte sich auf der antifaschistischen Seite am sozialreaktionären BürgerInnenkrieg. Dass die Mehrheitsfraktion versuchte die organisatorische Spaltung zu verhindern, muss als Inkonsequenz gewertet werden. Mit den äußersten linken Schwanzfedern der antifaschistischen Sozialreaktion können deren radikalen KritikerInnen niemals eine gemeinsame Organisation bilden! Zum Glück wollte sich aber die Minderheit auch organisatorisch vom italienischen Linkskommunismus abspalten.
Neben dem italienischen Linkskommunismus und dem Rätekommunismus in den USA (siehe Kapitel III.6) kämpfte während des BürgerInnen- und imperialistischen Krieges in Spanien auch die Grupo de Trabajadores Marxistas (GTM, Gruppe Marxistischer Arbeiter) in Mexiko sowohl gegen die antifaschistische Nationaldemokratie als auch gegen den Faschismus und Franquismus. Der Trotzkismus verleumdete diese mutige parteimarxistische Gruppe als „Agenten des Faschismus – unerheblich ob bewusst oder unbewusst“. (Zitiert nach: Internationale Kommunistische Strömung, Die italienische kommunistische Linke, a.a.O., S. 154.) Wie wir sehen, war und ist es nicht nur eine Spezialität des stalinistischen Antifaschismus RevolutionärInnen und kleinbürgerlich-radikale Kräfte als „AgentInnen des Faschismus“ zu verleumden, sein verfeindeter trotzkistischer Zwillingsbruder war dazu durchaus auch fähig.
Der italienische Linkskommunismus bekämpfte während des Zweiten Weltkrieges im Großen und Ganzen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des kapitalistisch-imperialistischen Gemetzels – einschließlich der Partisanen. Allerdings kam es auch zu gewissen Inkonsequenzen, die der italienische Linkskommunismus auf typisch parteimarxistische Weise löste. So mussten Parteimitglieder, die sich am antifaschistischen PartisanInnenkampf beteiligten, erklären, dass sie dies nur als Individuen, aber nicht als Teil der Partei taten. So blieb diese sauber.
Das rechtsnational-faschistische Italien beteiligte sich am Zweiten Weltkrieg an der Seite des deutschen Imperialismus, während sich das linksnational-antifaschistische Italien an der Seite der imperialistischen Alliierten befand. Nachdem großen Teilen der italienischen Bourgeoisie und ihres Politpersonals klar wurde, dass Deutschland den Krieg höchstwahrscheinlich verlieren würde, kam es im Juli 1943 zu einer Palastrevolte gegen Mussolini. Die neuen Machthaber begannen zwischen den verfeindeten Kriegsseiten zu lavieren. Am 31. August 1943 begann Italien geheime Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten zu führen, am 3. September wurde ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Die Hauptkräfte des italienischen Imperialismus schieden aus dem Krieg aus. Daraufhin okkupierte der deutsche Imperialismus ab dem 8. September 1943 ganz Nord- und Mittelitalien und installierte unter dem von deutschen Truppen befreiten Mussolini ein Marionettenregime.
Auch die antifaschistische Sozialreaktion machte 1943 in Italien mobil. Der antifaschistische Linksnationalismus kannte ideologisch selbstverständlich keine Klassen, er mobilisierte „alle Italiener“ für ein „freies“ (=kapitalistisches) Italien. Er mobilisierte also das Proletariat für ein kapitalistisches Gemetzel. Der antifaschistische Krieg der Partisanen, der vor allem von der Moskauhörigen „Kommunistischen“ Partei getragen wurde, war genauso sozialreaktionär wie das faschistische Blutvergießen. Wirkliche SozialrevolutionärInnen bekamen die Repression des stalinistischen Antifaschismus auch in Italien zu spüren. So wurden die Linkskommunisten Maria Acquavivas und Fausto Attis von stalinistischen Antifaschisten erschossen.
1943 gründeten die LinkskommunistInnen in Italien die Partito Comunista Internazionalista (PCInt, Internationalistische Kommunistische Partei). Die sich im Exil befindlichen italienischen LinkskommunistInnen wurden durch diese Parteigründung überrascht. Im Prinzip kämpfte der italienische Linkskommunismus in Italien und auf der ganzen Welt sowohl gegen die faschistischen als auch gegen die antifaschistischen KriegstreiberInnen, aber dieses Prinzip wurde eben in der Praxis auch teilweise aufgeweicht. So beteiligte sich der italienische Linkskommunist Vercesi in Brüssel mit anderen Exilitalienern an einer Antifaschistischen Koalition. Die Internationale Kommunistische Strömung (IKS) schrieb über deren reaktionären Charakter: „Die Koalition veröffentlichte zunächst auf Italienisch, schließlich ab Januar 1945 auch auf Französisch die Zeitung L‘Italia di Domani. Ihr offizieller Zweck bestand darin, den italienischen Kriegsgefangenen bei der Rückkehr nach Italien zu helfen und in Schwierigkeiten geratenen Italienern materielle Unterstützung zu gewähren. Doch faktisch war ihr Zweck ein politischer. Neben diesen ,karitativen‘ Tätigkeiten sowie den kulturellen und literarischen Diskussionen, die ihre Kolumnen füllten, vertrat L‘Italia di Domani die Idee eines ,wirklich freien, demokratischen und antifaschistischen Italiens‘. Zu diesem Zweck bat die Koalition um finanzielle Spenden, um die Kriegsanstrengungen der Alliierten zu unterstützen. Ihre Spalten waren voll von den ,Großtaten‘ der Résistance (französisch-national-antifaschistische Organisation, Anmerkung von Nelke) – Bombenanschläge, Sabotage, Guerillakrieg – bei ihrer Unterstützung des militärischen Lagers, dem sich Italien nach 1943 angeschlossen hatte. In einigen Artikeln, die von ,Logicus‘ gezeichnet waren, wurden die alliierten Behörden eindringlich dazu aufgefordert, Italien, als Belohnung für seine (späte) Kriegsbeteiligung an ihrer Seite, nach dem Krieg nicht um seinen Anteil am ,Sieg‘ zu prellen und ihm zu gestatten, in ,angemessenen Grenzen‘ zu leben.“ (Internationale Kommunistische Strömung, Die italienische kommunistische Linke, a.a.O., S. 230.) Die Beteiligung Vercesis an dieser Antifaschistischer Koalition hätte bei einer gewissen Konsequenz zu seinem Ausschluss aus den Reihen des italienischen Linkskommunismus führen müssen. Doch Vercesi wurde nicht ausgeschlossen und er leistete auch nie eine wirkliche Selbstkritik an seinem Wirken als Schwanzfeder der antifaschistischen Sozialreaktion.
Schauen wir uns nun, verglichen mit dem deutsch-niederländischen Links- und Rätekommunismus den verspäteten und weniger radikalen Bruch des italienischen Linkskommunismus mit Moskau an. Bis 1928 organisierte er sich als linke Fraktion der „K“PI, brach danach aber völlig mit der stalinistischen „K“PI und mit Moskau. Im Gegensatz zum Rätekommunismus und selbst der KAPD, die ab einem bestimmten Punkt der Radikalisierung antileninistisch waren, war der italienische Linkskommunismus selbst leninistisch und lediglich antistalinistisch. Auch war der italienische Linkskommunismus in den 1930er Jahren im Gegensatz zur KAPD, AAUD, AAU-E, GIK und KAUD (siehe Kapitel III.6) noch nicht grundsätzlich gewerkschaftsfeindlich, auch wenn sich in dieser Frage Diskussionen entwickelten. Zuerst gab es lose Verbindungen zum Trotzkismus. Als Trotzki jedoch 1934 seinen internationalen AnhängerInnen nahelegte in die sozialdemokratischen Parteien einzutreten, um sie von innen zu unterwandern, brach der italienische Linkskommunismus mit ihm. Bis in die 1930er Jahre hinein vertrat er jedoch ähnlich wie der Trotzkismus die Meinung, dass die Sowjetunion ein bürokratisch entarteter ArbeiterInnenstaat sei, den „proletarischen Charakter“ der Machtergreifung der bolschewistischen BerufspolitikerInnen im Jahre 1917 behauptet er bis heute. In den 1930er Jahren trat der italienische Linkskommunismus für eine proletarische Revolution in der Sowjetunion ein, bezeichnete diese aber weiterhin als einen „ArbeiterInnenstaat“. Und gleichzeitig befände sich dieser angebliche „ArbeiterInnenstaat“ in den Händen des Weltkapitalismus. Widersprüche über Widersprüche. Erst ab 1939 setzte sich die Erkenntnis langsam durch, dass die Sowjetunion staatskapitalistisch war. Jedenfalls bekämpfte der italienische Linkskommunismus im Gegensatz zum Trotzkismus im Zweiten Weltkrieg auch den sowjetischen Imperialismus.
Obwohl er selbst leninistisch war, gelang dem italienischen Linkskommunismus in den 1930er Jahren sich von Lenins Unterstützung der „nationalen Selbstbestimmung“ zu befreien. So wurde er nicht wie der Stalinismus, Trotzkismus, Maoismus und Titoismus zu einer Strömung des reaktionären Linksnationalismus. Und in seiner konsequentesten Ausprägung war und ist er in dieser Frage radikaler als der Rätekommunismus in seiner Niedergangsperiode nach dem Zweiten Weltkrieg (siehe Kapitel III.6).
Auch wurde in den 1930er Jahren die orthodoxe leninistische Parteigläubigkeit im italienischen Linkskommunismus etwas kritisch durchsetzt. War in den 1920er Jahren für ihn die staatsförmige Diktatur des Proletariats ganz klar die Diktatur der „kommunistischen“ Partei – eine eindeutig sozialreaktionäre Tendenz –, begann er ab den 1930er Jahren auf idealistische Weise die bolschewistische Partei zu kritisieren. Während die historisch-materialistische Kritik der bolschewistischen Partei davon ausgeht, dass diese vor der politischen Machteroberung eine kleinbürgerlich-radikale war, deren bürokratischer Apparat aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen vor dem Oktoberstaatsstreich von 1917 eine latente und danach eine offensichtliche staatskapitalistische Sozialreaktion und Konterrevolution verkörperte, war für den italienischen Linkskommunismus die Partei Lenins eine „proletarische“, die „Fehler“ beging. So wäre es ein Fehler gewesen, dass die bolschewistische Partei mit dem Staat verschmolz.
Auch in den 1930er Jahren war für den italienischen Linkskommunismus die Diktatur des Proletariats die Diktatur der „kommunistischen“ Partei über den „ArbeiterInnenstaat“. Allerdings machte sie folgende Einschränkungen: „Die Diktatur der Partei darf (…) nicht die Aufbürdung von Parteibeschlüssen auf den Rücken der Arbeiterklasse sein, darf vor allem nicht bedeuten, dass die Partei sich auf Unterdrückungsorgane des Staates stützt, um jede abweichende Stimme zum Schweigen zu bringen, und sich dabei auf den Grundsatz beruft, dass jegliche Kritik, jegliche Position, die von anderen Strömungen der Arbeiterklasse kommt, grundsätzlich konterrevolutionär ist…“ (Bilan Nr. 26, Januar 1936, zitiert nach: Internationale Kommunistische Strömung, Die italienische kommunistische Linke, a.a.O., S. 205.)
Was hier der italienische Linkskommunismus servierte, war natürlich eine widersprüchliche Mischung von marxistischen und leninistischen Dogmen über eine partei- und staatsförmige Diktatur des Proletariats und einer idealistischen Kritik an der bolschewistisch-staatskapitalistischen Parteidiktatur. Demgegenüber halten wir fest: Die mögliche Diktatur des Proletariats ist weder staats- noch parteiförmig, sondern die militante Zerschlagung von Staaten und Parteien durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Indem der italienische Linkskommunismus die leninistische Ideologie von der partei- und -staatsförmigen Diktatur des Proletariats reproduzierte – die sich in der Wirklichkeit als bürgerlicher Nationalstaat unter einer „kommunistischen“ Maske offenbarte –, war er trotz der Ablehnung der nationalen „Befreiung“ nicht bis zur letzten Endkonsequenz wirklich antinational.
In der 1943 gegründeten linkskommunistischen Partito Communista Internazionalista (PCInt) wurde auch ab 1949 der orthodoxe Leninist Bordiga wieder aktiv. Ihm behagten die Abweichungen vom ursprünglichen Leninismus, die sich im italienischen Linkskommunismus ab den 1930er Jahren durchgesetzt hatten, ganz und gar nicht. Sein Gegenspieler wurde Damen und dessen Fraktion, die inzwischen den staatskapitalistischen Charakter der Sowjetunion erkannte, die nationale „Befreiung“ im Trikont als Teil der kapitalistischen Sozialreaktion ablehnte und zu einer grundsätzlichen Gewerkschaftsfeindlichkeit gelangte. Allerdings war die Fraktion von Damen für die Beteiligung der linkskommunistischen Partei an Parlamentswahlen, eine sehr starke sozialreaktionäre Tendenz. Auf der anderen Seite stand die Fraktion Veresci-Maffi, die von Bordiga unterstützt wurde, die zwar die Beteiligung der Partei an Parlamentswahlen ablehnte, aber eben auch die grundsätzliche Gewerkschaftsfeindlichkeit und Bekämpfung der nationalen „Befreiung“ im Trikont durch die andere Fraktion. Bordiga unterstützte nach seiner eigenen Formulierung die „farbigen Völker“, in Wirklichkeit die Herausbildung neuer Nationalstaaten im Trikont. Die Gegensätze konnten nicht weiterhin in einer gemeinsamen Partei existieren. Deshalb kam es nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1952, zur Spaltung der PCInt.
So gab es ab 1952 zwei Parteien, die sich PCInt nannten. Die orthodox bordigistisch-leninistische Strömung, die besonders durch einen reaktionären und quasireligiösen Kult um die „Kommunistische Partei“ und viele weitere Spaltungen auffiel, und die eindeutig progressivere Tendenz – vor allem in der „nationalen Frage“ – um Damen. Die von ihr geführte PCInt wurde auch in der Parteifrage etwas kritischer, blieb aber parteimarxistisch. So durfte die Partei in der Ideologie jetzt nicht mehr die Aktion des Proletariats ersetzen: „Die Kommunistische Partei kann nicht die Macht übernehmen und im Namen des Proletariats ausüben, weil das Proletariat seine historische Mission an keinen noch so mächtigen Bevollmächtigten delegieren kann, nicht einmal an seine politische Partei.“ (Thesen der Tendenz um Onorato Damen auf dem Kongress des PCInt, zitiert nach: Woher wir kommen – Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Kommunistischen Linken, in: Gruppe Internationaler SozialistInnen, Sozialismus oder Barbarei Nr. 27, S. 33.)
Im Jahre 1983 wurde diese linkskommunistische Strömung in Form des Internationalen Büros für die Revolutionäre Partei (IBRP) international und strukturierte sich im Jahre 2009 in die „Internationalistische Kommunistische Tendenz“ (IKT) um.
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Heutige bekannte linkskommunistische Organisationen sind die Internationale „Kommunistische“ Partei (I„K“P), die Internationale Kommunistische Tendenz (IKS) und die bereits oben erwähnte IKT. Die I„K“P ist von allen linkskommunistischen Organisationen die reaktionärste. Sie ist orthodox bordigistisch und leninistisch. Die I„K“P betreibt einen regelrechten Kult um die „Kommunistische“ Partei und behauptet, dass der bolschewistische Staatsbourgeois Lenin 1920 gegen den deutsch-niederländischen Links-/Rätekommunismus recht gehabt hätte. Sie ist noch nicht mal konsequent gewerkschaftsfeindlich. In ihrer Berliner Sektion ist auch ein gewisser Buchhändler aktiv, der auf ganz miese Art fremde Arbeitskräfte kapitalistisch ausbeutet. In einer wirklichen Organisation der SozialrevolutionärInnen wäre ein so ausbeuterisches Element nicht geduldet worden. In der I„K“P können sich solche Leute als „Avantgarde des Proletariats“ aufspielen. Absolut widerlich!
Wesentlich progressiver sind dagegen IKS und IKT. Die IKS versucht eine Synthese aus deutsch-niederländischen und italienischen Linkskommunismus. Wobei sie die rätekommunistischen Abspaltungen von ihm klar ablehnt und auch schon mal als „rätistische“ Gefahr verketzert.
Wesentlicher Unterschied zwischen dem Linkskommunismus und dem antipolitischen Kommunismus ist, dass der Erstgenannte eine radikale Ausformulierung des Parteimarxismus darstellt. Dagegen stellt der antipolitische Kommunismus einen totalen Bruch mit dem Parteimarxismus dar. Er kritisiert scharf die nationalkapitalistische Realpolitik, die Marx und Engels oft betrieben (siehe Kapitel III.3). Der antipolitische Kommunismus lehnt im Gegensatz zum Linkskommunismus die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat und die SozialrevolutionärInnen ab. Während der Linkskommunismus weiterhin den sozialreaktionären Oktoberputsch des Bolschewismus im Jahre 1917 als „proletarische Revolution“ verklärt, bekämpft der antipolitische Kommunismus konsequent solche Mythen. Er weist nach, dass die politische Machteroberung durch die bolschewistischen BerufspolitikerInnen nur Kapital und Staat reproduzieren konnte. Der antipolitische Kommunismus ist im Gegensatz zum italienischen Linkskommunismus konsequent antileninistisch. Entgegen des marxistischen Dogmas – das auch von vielen LinkskommunistInnen reproduziert wird –, nach dem das Wesen der sozialen Revolution angeblich die politische Machtübernahme durch das Proletariat darstellen würde, weist der antipolitische Kommunismus nach, dass dies unmöglich ist. Möglich ist nur die antipolitische Zerschlagung des Staates durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat.
Der antipolitische Kommunismus weist den Führungsanspruch des Proletariats durch alle politischen Parteien – einschließlich linkskommunistischer – konsequent zurück. Er hegt selbst keinen Führungsanspruch, er gibt wichtige praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes und ist der bewusste Ausdruck der Selbstorganisation des Proletariats gegen die Politik.
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