9. Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus
Während der Todeskrise des Staatskapitalismus wurde der Marxismus-Leninismus auch als sozialreaktionäre Ideologie und Praxis dekadent. Neue linksreaktionäre Regimes am Ende des 20. Jahrhunderts/am Anfang des 21. Jahrhunderts bewegten sich vollständig im Rahmen des Privatkapitalismus.
Die opportunistische Anpassung der politischen Linken an den Privatkapitalismus führte zu der ideologischen Ideologie-Suppe, die wir als Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus bezeichnen. Er tritt für starke staatskapitalistische und staatsinterventionistische Tendenzen innerhalb des Privatkapitalismus ein. Und bekämpft in der Ideologieproduktion den „Neoliberalismus“, also eine Politik der Privatisierung großer Teile des Staatssektors der Wirtschaft, der gesetzlichen Deregulierung vieler Märkte und der Sozialkürzungen.
Auch die alte Sozialdemokratie, zum Beispiel in Großbritannien die Labour Party und in Deutschland die SPD, betrieb als Regierungskraft eine „neoliberale“ Politik. Jedoch entstand links von der „neoliberal“ gewendeten Sozialdemokratie eine rechtsmarxistisch-linkskeynesianische. In der BRD war das zuerst im Osten des Landes die alte staatskapitalistische Regimepartei der DDR, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die sich 1990 in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannte und ihre Ideologie vom Marxismus-Leninismus in den Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus transformierte. Diese ideologische Transformation war eine praktische Anpassung an den Privatkapitalismus. Während der SPD/Grünen Regierung unter Gerhard Schröder (1998-2005), die die Teilnahme der BRD an imperialistischen Kriegen in Jugoslawien (1999) und Afghanistan (2001) und einen asozialen Klassenkampf von oben (unter anderem die Schaffung von Hartz IV) organisierte, kam es zu einer linkskeynesianischen Abspaltung innerhalb der alten Sozialdemokratie – besonders innerhalb von Gewerkschaftskreisen. Auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine gehörte zu diesen Kräften. Diese gründeten am 3. Juli 2004 die linkssozialdemokratische Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), die sich am 22. Januar 2005 als politische Partei formierte. Am 16. Juni 2007 verschmolzen PDS und WASG zur Partei Die Linke.
Die Linke ist eine systemloyale Oppositionspartei, die allerdings schon in einigen Kommunen und Bundesländern mitregiert. Da wo die Partei opponiert, betreibt sie eine typisch „antineoliberale“ Ideologieproduktion, das heißt, sie spricht sich gegen Privatisierungen und Sozialkürzungen aus und kocht die typischen reformistischen Illusionen in den Sozialstaat, der jedoch real nichts anderes sein kann als die bürokratische Verwaltung des kapitalistisch produzierten Elends. Da wo Die Linke den Staat bereits mitregierte, betrieb sie oft jene „neoliberale“ Politik der Sozialkürzungen und Privatisierungen, weil diese eben notwendig ist während der strukturellen Profitproduktionskrise. Notwendig für die Bourgeoisie und ihr regierendes Politpersonal. So verlor auch der Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus so wie vorher die neoliberal gewendete SPD ihre proletarische WählerInnenbasis. Leider führte diese Enttäuschung in die alte und neue Sozialdemokratie zum Erstarken der rechtsnationalistischen Alternative für Deutschland (AfD).
In Großbritannien betrieb auch die Labour Party sowohl als gesamtstaatliche Regierungspartei als auch als systemloyale Oppositionspartei eine „neoliberale“ Politik. Bis der rechtsmarxistisch-linkskeynesianische Jeremy Corbyn von 2015-2020 Vorsitzender dieser Partei wurde. Nun wurde gegen den harten Widerstand des rechten Parteiflügels wieder „sozialistische“ Ideologie serviert. „Sozialismus“ war in diesem Falle die propagierte Stärkung staatskapitalistischer, staatsinterventionistischer und genossenschaftlicher Tendenzen innerhalb des Privatkapitalismus. Diese Ideologie wurde nicht zur materiellen Gewalt. Die Labour Party unter Corbyn verlor die britische Unterhauswahl 2019 und der rechte Flügel eroberte sie 2020 unter ihren neuen Vorsitzenden Keir Starmer zurück. Seitdem wird der rechtsmarxistisch-linkskeynesianische Flügel dieser Partei durch Ausschlüsse stark dezimiert. Nach der Tragödie des Marxismus-Leninismus folgt die Farce des Rechtsmarxismus-Linkskeynesianismus.
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