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II. Klassenkampf, institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und klassenübergreifender Protest

November 7th, 2023

1. Einheit und Kampf von Kapital und Lohnarbeit

Kapital und Lohnarbeit verbindet einen dialektischen Widerspruch mit- und gegeneinander. Sie können nicht ohneeinander existieren. Kapital ist ein Geldvermehrungsprozess. Das Geld wird durch die Lohnarbeit vermehrt, indem sie für die Bourgeoisie mehr Tauschwert erhält und neu produziert, als sie selbst kostet. Sie produziert (Industrie, Landwirtschaft, ein Teil des Dienstleistungssektors, zum Beispiel der lohnabhängige Koch in einem Restaurant) oder realisiert (Handel, Banken und Versicherung) den Mehrwert. Kapital kann sich nur durch Lohnarbeit vermehren. Letztere kann sich nur in der und durch die Kapitalvermehrung bewegen. Lohnabhängige sind frei von Produktionsmitteln, sie können also selbst keine Waren produzieren oder sich unmittelbar alle Lebensmittel produzieren. Im Kapitalismus sind aber fast alle Lebensmittel Waren und viele zum Leben notwendigen Prozesse warenförmige Dienstleistungen. Um Geld zum Kauf für die Lebensmittel zu bekommen, müssen die Lohnabhängige ihre Arbeitskraft an das Kapital vermieten. Sie sind positiv freie Marktsubjekte – positiv nicht im Sinne einer ethisch-moralischen Wertung, sondern in der Bedeutung etwas tun zu können –, sie können und müssen ihre Arbeitskraft an das Kapital vermieten, um mit dem Lohn die Lebensmittel kaufen zu können. Lohnabhängige Menschen, die vorübergehend oder längerfristig keinen kapitalistischen, kleinbürgerlichen oder institutionellen (Kirchen, Staaten oder politische Parteien) Mieter ihrer Arbeitskraft finden, sind erwerbslos. Im Kapitalismus können von den Produktionsmitteln getrennte Menschen nicht selbständig produzieren. Finden sie aber auch keine AusbeuterInnen ihrer Arbeitskraft, dann fallen sie als Erwerbslose in die nichtlohnarbeitenden proletarischen Unterschichten. Lohnarbeit kann nicht ohne Kapital existieren, die sie anmietet, anwendet und ausbeutet.

Im kapitalistischen Produktionsprozess sind die angemieteten LohnarbeiterInnen selbst menschliches produktives Kapital, dass für ihre AusbeuterInnen den Mehrwert produziert. Die Lohnarbeit wurde vom Kapital aufgesaugt, sie ist jetzt Teil ihres Gegensatzes. Der kapitalistische Produktionsprozess verkörpert notwendig die Einheit der Gegensätze aus Kapital und Lohnarbeit. Das Kapital bringt unter seinem Oberkommando die Lohnabhängigen dazu, produktiv fremden Reichtum zu vermehren. Kapitalistischer Produktionsprozess ist die Einheit von Arbeit und Ausbeutung. Er ist die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit, Klassenkampf von oben. Deshalb verkörpert der kapitalistische Produktionsprozess nicht nur die Einheit zwischen Kapital und Lohnarbeit, sondern auch deren Kampf. Funktionierende kapitalistische Produktion ist prinzipiell erfolgreicher Klassenkampf von oben. Indem die Lohnarbeit sich selbst an das Kapital vermietet hat – sich von ihm aufsaugen ließ und selbst zu menschlichen produktiven Kapital wurde, dass fremdes Geld vermehrt –, ist sie entfremdet von sich selbst. Sie ist eine von ihrem Gegenteil, dem Kapital, fremdbestimmte Kraft. Die Lohnabhängigen sind entfremdet von den Produktionsmitteln, die das gegenständliche Kapital ihrer AusbeuterInnen darstellen. Und sie sind getrennt von ihrem Produkt, welches Warenkapital ist. Die Entfremdung der Lohnabhängigen von ihrer eigenen Tätigkeit ist die notwenige Folge des kapitalistischen Produktionsprozesses als widersprüchliche Einheit und Kampf zwischen den Gegensätzen Kapital und Lohnarbeit.

Doch den kapitalistischen Produktionsprozess gibt es grundsätzlich nicht ohne den Klassenkampf von unten. Der proletarische Klassenkampf ist im Kapitalismus eine objektive und subjektive Notwendigkeit. Eine objektive Notwendigkeit ist er, weil das Kapital in seiner grenzenlosen Gier nach Mehrwert zur Überausbeutung neigt. Überausbeutung heißt die Arbeitszeit beziehungsweise die Arbeitsintensität so stark zu erhöhen, dass sich die Lohnabhängigen nicht mehr erholen können, sie erkranken oder sich regelrecht totarbeiten. Und/oder der vom Kapital gezahlte Lohn ist so niedrig, dass von diesem nicht alle für das Überleben notwendigen Dinge gekauft werden können. Die kapitalistische Überausbeutung der LohnarbeiterInnen gefährdet deren biosoziale Reproduktion – und damit den kapitalistischen Produktionsprozess selbst. Dieser ist ohne LohnarbeiterInnen nicht möglich. Ohne den Klassenkampf der LohnarbeiterInnen für Löhne, die zum Leben reichen und für eine Arbeitszeit beziehungsweise -intensität, die die notwendige Möglichkeit der Erholung enthält, hätte sich der Kapitalismus selbst zerstört. Er hätte durch die Überausbeutung der LohnarbeiterInnen die gesamte Klasse ausgerottet und damit auch die widersprüchliche Einheit aus Kapital und Lohnarbeit vernichtet. Doch Kapital kann ohne Lohnarbeit nicht existieren. Das Kapital würde sich ohne den proletarischen Klassenkampf zu Tode siegen. Damit ist der proletarische Klassenkampf eine objektive Notwendigkeit des Kapitalismus. Kapital und Lohnarbeit können im Kapitalismus nicht ohneeinander, aber auch nicht friedlich miteinander. Der Klassenkampf ist die Bewegungsform des dialektischen Widerspruches aus Kapital und Lohnarbeit.

Zweitens ist der proletarische Klassenkampf eine subjektive Notwendigkeit der Lohnabhängigen. Um die Not zu wenden, müssen sie gegen das Kapital kämpfen. So entwickelt sich der reproduktive Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus um höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeit/-intensität als subjektive Notwendigkeit des proletarischen Daseins. Im offensichtlichen Klassenkampf des Proletariats, im Streik, wird die widersprüchliche Einheit des kapitalistischen Produktionsprozesses aus Kapital und Lohnarbeit von letzterer gesprengt. Die LohnarbeiterInnen arbeiten nicht, der kapitalistische Produktionsprozess kommt zum Erliegen. Aber wird der Klassenkampf im reproduktiven Rahmen des Kapitalismus geführt, dann nehmen die ProletarierInnen – im günstigsten Falle nach einer Milderung der kapitalistischen Ausbeutung – die Produktion wieder auf, die widersprüchliche Einheit der Gegensätze zwischen Kapital und Lohnarbeit wird wieder produktiv hergestellt. Der proletarische Klassenkampf löst also die widersprüchliche Einheit zwischen Kapital und Lohnarbeit tendenziell auf, indem er den Gegensatz eskaliert und offen zum Ausdruck bringt. Bleibt der Klassenkampf reproduktiv innerhalb des Kapitalismus, dann muss er irgendwann wieder der produktiven Einheit aus Kapital und Lohnarbeit weichen. Spitzt sich der Klassenkampf jedoch in einer objektiv-subjektiven Extremsituation radikal zu, dann stellt die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats eine mögliche progressive Lösung des dialektischen Widerspruches aus Kapital und Lohnarbeit als der Beendigung dieser Zwangsehe dar.

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