12. Bürgerlicher Nationalismus und Internationalismus
Der Weltkapitalismus existiert nur als Interaktion der Nationalstaaten. Nationen sind Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die auf bestimmten Territorien von entsprechenden Staaten zusammengehalten werden. Sie sind Kunstprodukte kapitalistischer Politik, die aus den sich gegenseitig bekämpfenden Klassen und untereinander konkurrierenden Marksubjekten auf einem bestimmten Territorium den Schein einer Gemeinschaft formt. Die Vergesellschaftung der untereinander konkurrierenden Marktsubjekte – einschließlich der proletarischen – ist nur eine indirekte, die über Ware-Geld-Beziehungen und den politischen Gewaltapparat hergestellt wird. Einige Nationen berufen sich auf relativ homogene Sprach-, Kultur- und Religionsgemeinschaften, mit denen sie jedoch nicht identisch sind. Letztere haben eine vorkapitalistisch-vornationale Geschichte – sowohl innerhalb des Urkommunismus als auch in vorindustriekapitalistischen Klassengesellschaften. So ist zum Beispiel die deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft nicht mit dem Nationalstaat Bundesrepublik Deutschland identisch. Das wird auch aus dem Aspekt offensichtlich, dass die deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft auch den Nationalstaat Österreich dominiert. Manche Nationalstaaten bestehen auch aus mehreren Sprach- und Kulturgemeinschaften. So werden im Nationalstaat Schweiz deutsche, französische und italienische Sprach- und Kulturgemeinschaft auf diesem Gebiet zusammengefasst.
Wenn Nationen auch nicht mit den vornationalen Sprach- und Kulturgemeinschaften identisch sind, so bilden doch oft die letzteren den ideologischen Kitt für die Erstgenannten. Eine gemeinsame Sprache und Kultur bilden den ideologischen Schein einer nationalen Einheit, die praktisch durch unzählige Konkurrenz- und Klassenkämpfe permanent widerlegt wird. Auf der anderen Seite dämpft der Nationalismus auch die Konkurrenz- und Klassenkämpfe innerhalb der Staaten. Der Nationalismus integriert die ProletarierInnen in die jeweiligen Staaten und spaltet das Weltproletariat. Objektiv verbindet die gemeinsame kapitalistische Ausbeutung Lohnabhängige in Indien und Deutschland mehr, als sie die unterschiedliche Sprache und Kultur trennt. Und „deutsche“ ProletarierInnen trennt die Klassenspaltung von der nationalen Bourgeoisie mehr, als sie die gemeinsame Sprache und Kultur mit ihr verbindet. Beide Tatsachen verschleiert der Nationalismus ideologisch – und indem er zur materiellen Gewalt wird auch praktisch.
Als kleinbürgerliche Marktsubjekte und Konkurrenzindividuen sind auch ProletarierInnen gegenüber dem Nationalismus anfällig – und zwar sowohl als Droge einer Scheingemeinschaftlichkeit als auch als Konkurrenzchauvinismus, der sich gegen „AusländerInnen“ richtet. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Doch im Kapitalismus ist er auch ein asoziales Konkurrenzindividuum. Auch die proletarischen Menschen konkurrieren untereinander und leiden zugleich psychisch-mental unter dem Kampf aller gegen alle. Aus dieser Gefühlskälte des permanenten Konkurrenzkampfes flüchten die bürgerlichen Marktsubjekte – einschließlich vieler ProletarierInnen – ideologisch in die Nestwärme der Nation. Aber diese ist ja praktisch nur eine Scheingemeinschaft der Konkurrenzindividuen. Der Nationalismus ist gleichzeitig eine Form des Konkurrenzchauvinismus. „AusländerInnen“ werden von nicht wenigen ProletarierInnen als Eindringlinge in den Arbeits- und Wohnungsmarkt angesehen. Als „InländerInnen“ wenden sie sich chauvinistisch gegen „AusländerInnen“ oder gegen die Menschen, die sie dafürhalten. Für den Staat, sind alle jene Menschen „AusländerInnen“, die keine StaatsbürgerInnen sind, sondern aus anderen Ländern kommen. Zum Beispiel sind Afrodeutsche für den Staat BRD rechtlich keine „AusländerInnen“. Von kleinbürgerlichen und proletarischen NationalistInnen, die auf diese Weise ihren Konkurrenzchauvinismus ausleben, werden aber Afrodeutsche auf Grund ihrer Hautfarbe ausgegrenzt. Hier wird Nationalismus rassistisch, aber dies ist er nicht automatisch. Übrigens können sich „AusländerInnen“ auch an bestimmten Orten, wo sie eine Mehrheit bilden, chauvinistisch-nationalistisch gegen die „InländerInnen“ wenden.
Als kollektives Klassenkampfsubjekt ist das Proletariat oft in der Lage die nationalistischen Spaltungslinien zu überwinden. Durch die kapitalistische Globalisierung sind viele Belegschaften multinational und multiethnisch zusammengesetzt. Im Arbeitsalltag kann das auch mit nationalen Spaltungslinien verbunden sein. Es ist also notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalen Spaltungslinien überwindet. Oft ist es dazu auch in der Lage, manchmal jedoch nicht. Das Proletariat überwindet im gemeinsamen Klassenkampf tendenziell und potenziell nicht nur die nationalistischen Spaltungslinien, sondern in Form einer kollektiven Solidargemeinschaft gegen das Kapital und/oder den Staat auch den kleinbürgerlichen Konkurrenzindividualismus innerhalb der Klasse. Außerdem enthüllt der Klassenkampf die Nation praktisch als Scheingemeinschaft aus Kapital und Lohnarbeit. Der reproduktive Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus zeigt den Riss innerhalb der Nationen, die mögliche revolutionäre Selbstaufhebung des Weltproletariats überwindet diese notwendig und ist der Geburtsprozess einer nachkapitalistisch-nachpolitischen, klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft.
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Bürgerlicher Internationalismus ist die globale Interaktion der Nationen, die sowohl durch kooperierende Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation geprägt ist. Ökonomischer Ausdruck des bürgerlichen Internationalismus ist der Welthandel mit Geld und Waren sowie der Kapitalexport. Diese kapitalistische Globalisierung beruht aber auf der Interaktion der Nationalkapitale und -staaten. Kapitalistisch aufstrebende Nationen mit expandierender Industrieproduktion und rasant steigender Arbeitsproduktivität streben zum globalen und bilateralen Freihandel. Sie sind in der Lage besonders Agrarstaaten nieder zu konkurrieren und auch deren Märkte mit ihren wohlfeilen Waren zu beherrschen. Industrienationen exportieren nicht nur Waren, sondern auch produktives Kapital. Produktiver Kapitalexport ist die ausländische Direktinvestition in Industrieanlagen, Agrarproduktion und Infrastruktur. Großbritannien beherrschte als führende Industrienation im 19. Jahrhundert die jungen lateinamerikanischen Nationalstaaten, die sich die politische Unabhängigkeit gegenüber dem spanischen und portugiesischen Kolonialismus erkämpft hatten, durch Freihandel und produktivem Kapitalexport. Letztere waren also die Waffen des britischen Imperialismus. Unter kapitalistischem Imperialismus verstehen wir die ökonomische, politisch-diplomatische, ideologisch-propagandistische sowie militärisch-kriegerische Expansion der Nationalkapitale und -staaten. Der Imperialismus stellt sowohl nationale Expansion sowie das Streben danach als auch internationale Interaktion der Nationen dar.
Der kapitalistische Imperialismus strebt nach der internationalen Beherrschung von Rohstoffquellen, Absatzmärten und Investitionsstandorten für den produktiven Kapitalexport. Dabei werden nicht nur politisch-diplomatische und ideologisch-propagandistische Methoden, sondern auch militärisch-kriegerische angewandt. Eine Form der direkten Beherrschung war der Kolonialismus. So kolonialisierte der europäisch-„weiße“ Imperialismus die Kontinente Australien, Amerika und Afrika und große Teile Asiens und der Südsee.
Durch den kapitalistischen europäisch-„weißen“ Imperialismus kam es zu einem gewaltigen globalen Bevölkerungstransfer. „Weiße“ besiedelten die vom europäischen Imperialismus eroberten Gebiete. Die „schwarze“ Bevölkerung wurde versklavt und musste vor allem auf den von den „Weißen“ errichteten Plantagen Amerikas schuften. Auf diese Weise entstanden die AfroamerikanerInnen. Die ursprüngliche Form des europäisch-„weißen“ Imperialismus war der Kolonialismus. Der Erfolg des europäischen Imperialismus beruhte selbstverständlich nicht auf der „weißen“ Hautfarbe, sondern auf der Überlegenheit ihrer industriekapitalistischen Produktivkräfte und Mordwerkzeuge.
Wollten sich die Eliten der unterdrückten Bevölkerungen auf den nichteuropäischen Kontinenten vom „weißen“ Imperialismus befreien, dann konnten sie das nur auf nationaler Grundlage tun. Indem sie selbst kapitalistische Nationen als scheinbare Schicksalsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit schufen und den „weißen“ Imperialismus abschüttelten. Denn nur kapitalistische Nationen konnten in dem globalen Konkurrenzkampf einigermaßen bestehen. Diese nationale „Befreiung“, die zur Neugründung von privat- und staatskapitalistischen Regimes in Amerika, Asien und Afrika führte, war natürlich grundsätzlich überall und von Anfang an sozialreaktionär, weil sie auf Ausbeutung und Klassenherrschaft beruhte. Eine soziale Befreiung der „farbigen“ ProletarierInnen in Form von deren revolutionären Selbstaufhebung und der Herausbildung von klassen- und staatenlosen Gesellschaften in den vom europäisch-„weißen“ Imperialismus beherrschten Gebieten war aus objektiven und subjektiven Gründen nicht möglich. Weil der Industriekapitalismus in diesen Gebieten noch sehr unterentwickelt war, gab es dort kaum ein starkes einheimisches Proletariat, dass ein großer Teil der Bevölkerung ausmachte. Damit war die wichtigste objektive Voraussetzung für eine siegreiche soziale Revolution in den Kolonien nicht gegeben. Auch war das Klassenbewusstsein des einheimischen Proletariats in den ehemaligen Kolonien noch nicht so hoch entwickelt. Unabhängig davon war die Herausbildung neuer kapitalistischer Nationalstaaten in Amerika, Afrika und Asien im Kampf gegen den europäisch-„weißen“ Imperialismus sozialreaktionär.
Mit dieser konsequent antinationalen Position überwindet der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus die nationalistischen Tendenzen im Marxismus und Anarchismus. Für den Marxismus-Leninismus war und ist dagegen der Nationalismus unterdrückter Nationen „fortschrittlich“. So standen dann auch zum Beispiel in Vietnam und in afrikanischen Nationen marxistisch-leninistische Guerillabewegungen und Parteiapparate an der Spitze der nationalen „Befreiung“. In Vietnam gingen die marxistisch-leninistischen Politbonzen bei ihrer sozialreaktionären Nationsbildung gegen französischen Kolonialismus und US-Imperialismus auch repressiv gegen den kleinbürgerlich-radikalen Trotzkismus und das klassenkämpferische Proletariat vor. Auch für den radikalmarxistischen und antileninistischen Rätekommunismus stellte die sozialreaktionäre politische Eroberung der Staatsmacht durch „kommunistische“ Politbonzen in Asien, in Afrika und auf Kuba eine „bürgerliche Revolution“ dar und war damit irgendwie „fortschrittlich“. Für den antipolitischen Kommunismus ist die politische Machteroberung von nationalen „Befreiungsbewegungen“ dagegen absolut sozialreaktionär.
Ob die sozialreaktionäre nationale „Befreiung“ der ursprünglichen Bevölkerung gelang und wie sie konkret aussah, war von deren Größe und der Entwicklung der Produktiv- und Zerstörungskräfte abhängig. Der europäisch-„weiße“ Imperialismus konnte niemals den ganzen asiatischen Kontinent in Beschlag nehmen. Das asiatische Handelskapital war in einigen Gegenden schon hochentwickelt. Japan war niemals Kolonie des europäisch-„weißen Imperialismus. Das Land industrialisierte sich selbst, um im globalen Konkurrenzkampf mithalten zu können. Der japanische Imperialismus griff vor und während des Zweiten Weltkrieg expansiv nach Teilen Asiens (Korea, China, Indochina). Nach dem Prozess der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg – besonders im historischen Gedächtnis geblieben: die sozialreaktionäre nationale „Befreiung“ in China und eben in Vietnam – entwickelte sich der Industriekapitalismus in Asien in einigen Gegenden durchaus erfolgreich. Aufgrund der hohen Bevölkerungszahl Asiens konnten die „weißen“ KolonialistInnen diese nirgendwo verdrängen. Es entwickelten sich deshalb einheimische PrivatkapitalistInnen beziehungsweise Staatsbourgeoisien.
Im 19. Jahrhundert wurde fast der gesamte afrikanische Kontinent vom „weißen“ Imperialismus kolonialisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der sozialreaktionäre Prozess einer afrikanischen nationalen „Befreiung“ ein mit der Neugründung privat- und staatskapitalistischer Regimes. Zuvor bildeten sich in Südafrika und in Rhodesien„weißafrikanische“ Regimes, in denen die „schwarze“ Bevölkerungsmehrheit rassistisch unterdrückt wurde. Inzwischen hat jedoch auch in diesen Staaten die „schwarz“-nationale „Befreiung“ eingesetzt. Doch Afrika blieb Lebensmittel- und Rohstofflieferant sowie Absatzmarkt der Industriestaaten. Bis heute ist Afrika der am wenigsten industrialisierte Kontinent. Die sozialreaktionäre nationale „Befreiung“ brachte zwar mächtige „schwarze“ Politbonzen hervor, doch blieb das Kapital vorwiegend „weiß“. Deshalb ist für die afrikanischen Politbonzen eine „schwarze“ Identität im Konkurrenzkampf gegen die „weiße“ Bourgeoisie noch immer sehr wichtig.
In Lateinamerikaerfolgte der sozialreaktionäre Prozess der nationalen „Befreiung“ vom spanischen und portugiesischen Kolonialismus (Brasilien) zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Doch die damalige führende imperialistische Weltmacht, Großbritannien, machte die jungen politisch unabhängigen Nationalstaaten Lateinamerikas durch Freihandelsabkommen ökonomisch von sich abhängig. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die USA die Lateinamerika beherrschende Großmacht. In der letzten Zeit machte sich auch der chinesischeImperialismus durch Kapitalexporte und Handelsbeziehungen breit. Entgegen der Mythen, den der linksnational-„antiimperialistische“ Schwanz des chinesischen Imperialismus verbreitet, behandelt auch Peking, genau wie davor London und Washington, Lateinamerika vorwiegend als Lebensmittel- und Rohstofflieferant sowie als Absatzmarkt und Investitionsstandort seines produktiven Kapitals.
Die Führungsschichten der neugegründeten lateinamerikanischen Nationalstaaten entstammten ursprünglich größtenteils der kreolischen Oberschicht, SpanierInnen europäischer oder amerikanischer Herkunft. Während die amerikanischen UreinwohnerInnen zunächst brutal aus der Nation ausgeschlossen wurde. In Brasilien wurde die Versklavung der „Schwarzen“ erst 1889 verboten. „Schwarze“ leiden bis heute unter dem Rassismus in Brasilien. Doch der Nationalismus funktioniert auch in Lateinamerika nicht nur durch Ausschluss, sondern auch durch Integration. So wurde in Lateinamerika das, was bei „weißen“ RassistInnen als „Rassenschande“ gilt, zur Nationsbildung: die Mischung von ehemaligen EuropäerInnen mit amerikanischen UreinwohnerInnen zu Mestizen.
Der linksbürgerliche Internationalismus macht um die „indigene“ Herkunft des linksreaktionären Präsidenten von Bolivien, Evo Morales (2005-2019) – er wurde im November 2019 durch einen rechtsreaktionären Putsch entmachtet, bevor die Linksreaktion durch den Wahlrummel im Oktober 2020 wieder an die politische Macht kam – ein riesengroßes Tamtam, dass davon ablenkt, dass diese regierende Charaktermaske des bolivianischen Staates ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats war. Dass die regierende MAS (Bewegung zum Sozialismus) die Organisationen der „indigenen“ UreinwohnerInnen gleichschaltete und ihnen nicht genehme Führungen absetzte, um sie durch Strohmänner des Regimes zu ersetzen, erwähnen diese „InternationalistInnen“ nicht. Genauso wenig, wie sie es sonderlich störte, dass das linksreaktionäre Morales-Regime sich innerhalb des Privatkapitalismus bewegte und sich in ihm eine Genossenschaftsbourgeoisie im Bergbau entwickelte.
Auch in Lateinamerika sind die Nationen Scheingemeinschaften aus sich bekämpfenden Klassen und untereinander konkurrierenden Marktsubjekten. Als ideologischer Kitt dieser nationalen Scheingemeinschaftlichkeit funktionieren die angeblich gemeinsamen Interessen von Bourgeois, KleinbürgerInnen und ProletarierInnen zuerst gegen den europäischen Kolonialismus und dann gegen den US-Imperialismus. Dieser Kitt funktionierte und funktioniert besonders gut bei den linksreaktionären Regimes in Lateinamerika (Kuba, Nikaraguaund Venezuela). Während Kuba staatskapitalistisch war und sich am Beginn seiner privatkapitalistischen Transformation befindet, blieben die linksreaktionären Regimes in Nikaragua und in Venezuela stets im Rahmen des Privatkapitalismus. Diese linksreaktionären Regimes waren und sind die besonderen Lieblinge des linksnationalen Internationalismus und „Antiimperialismus“, während sie der antinational-sozialrevolutionäre Universalismus genauso kompromisslos wie die rechtsreaktionären Regimes bekämpfte und bekämpft.
In Australien lebten die Aborigines vor der Eroberung des Kontinents durch den britischen Kolonialismus noch in urkommunistischen Verhältnissen mit relativ gering entwickelten Produktiv- und Zerstörungskräften und einer geringen Bevölkerungszahl. Es gelang dem britischen Kolonialismus die Aborigines ohne größeren militärischen Widerstand zu verdrängen, auszurotten, zu internieren und zwangsassimilieren. Ursprünglich europäisch geprägte „Weiße“ siedelten sich in Australien an und bildeten ein „weiß“ geprägtes australisches Nationalbewusstsein heraus. Australien emanzipierte sich schleichend und ohne Blutvergießen von Großbritannien und bildeten eine „weiß“ geprägte Nation, in der die Aborigines noch heute eine benachteiligte Minderheit bilden. Nationale „Befreiung“ war den Aborigines nicht möglich, was sich entwickelte war eine BürgerInnenrechtsbewegung, die die gleichen Rechte der Aborigines im australischen Staat forderte. Die Folge war, dass sich einige Aborigines in BerufspolitikerInnen verwandelten.
In Nordamerika lebte die Urbevölkerung vor der Konfrontation mit dem europäisch-„weißen“ Imperialismus sowohl in urkommunistischen Gesellschaften der JägerInnen, FischerInnen und SammlerInnen als auch in werdenden Klassengesellschaften auf der ökonomischen Grundlage von Ackerbau und Viehzucht (Pueblo- und Mississippi-Kultur). In letzteren hatte sich schon in Form der Medizinmänner und erblichen Häuptlinge (Häuptlingstümer) der Keim einer herrschenden Klasse entwickelt, es gab allerdings noch keine Staatsapparate. Die Häuptlingstümer waren keine klassen- und staatenlosen Gesellschaften mehr, aber eben auch noch keine voll entwickelten AusbeuterInnenstaaten.Vor der Konfrontation mit dem „weißen“ Kolonialismus bestand in Nordamerika also ein Urkommunismus, der sich teilweise bereits in der Auflösung befand. Die Produktiv- und Zerstörungskräfte der nordamerikanischen UreinwohnerInnen waren schon wesentlich weiterentwickelt als jene der australischen Aborigines. Sie leisteten einen langandauernden militärischen Widerstand gegen den „weißen“ Kolonialismus und Imperialismus. Doch der letztere hatte das wesentlich höherentwickelte Mordswerkzeug. Deshalb konnte er den Widerstand der UreinwohnerInnen mit blutiger Gewalt brechen.
So entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein „weiß“ geprägtes Nationalbewusstsein auf dem heutigen Gebiet der USA. Dieser „weiße“ Nationalismus emanzipierte sich durch den nordamerikanischen Unabhängigkeitskampf (1775-1783) vom britischen Kolonialismus. Der neue Nationalstaat, die USA, beruhte im 19. Jahrhundert auf der imperialistischen Expansion nach Westen. Die dort lebende Urbevölkerung wurde ausgerottet, vertrieben und in Reservaten interniert. Nur ein „indianischer“ Staat hätte sich gegen die USA behaupten können. Tecumseh machte auch den Versuch von dessen Gründung, scheiterte aber militärisch und politisch. Er verbündete sich dabei mit dem britischen Imperialismus gegen die USA. Das war sozialreaktionär wie sein gesamter Staatsgründungsversuch, da alle Staaten grundsätzlich auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhen. Ein erfolgreicher „indianischer“ Staat hätte nur kapitalistisch sein können, um in der globalen Konkurrenz zu bestehen. Wie die Aborigines in Australien konnten sich die nordamerikanischen UreinwohnerInnen nicht national „befreien“, sie bilden heute in den USA eine sozial stark benachteiligte Minderheit.
Auch die AfromaerikanerInnen sind bis heute benachteiligt in den USA. Darauf reagierten sie auf drei Weisen. Ein Teil wollte kollektiv nach Afrika zurückkehren. Das erwies sich nicht als realistisch. Ein anderer Teil entwickelte einen „schwarzen“ Rassismus und Nationalismus. So entwickelte sich zum Beispiel die Nation of Islam, die einen islamisch geprägten „schwarzen“ Rassismus kultivierte und für einen eigenen „afroamerikanischen“ Staat entweder in Afrika oder auf dem Territorium der USA eintrat. Die Nation of Islam war natürlich sozialreaktionär. So wie das gesamte Ziel eines afroamerikanischen Staates. Der antinational-sozialrevolutionäre Universalismus tritt für die revolutionäre Zerschlagung der USA ein, aber nicht für die Neugründung eines afroamerikanischen Staates, der nur kapitalistisch-sozialreaktionär sein kann. Auch der „schwarze“ Linksnationalismus in den USA, der sich in Form der maoistischen Black Panther Party und der 1995 gegründeten New African Liberation Front (NALF) äußerte, war sozialreaktionär. Die NALF trat für einen „sozialistischen“ afroamerikanischen Staat im „schwarzen Gürtel“ der Südstaaten der USA ein. Nun, „sozialistische“ Staaten waren und sind nichts anderes als von LinksnationalistInnen regierte privatkapitalistische oder staatskapitalistische Regimes. Nach der globalen Todeskrise des Staatskapitalismus ist die Neugründung eines so gearteten Regimes auf dem Boden der USA reine Utopie. Und dazu noch eine sozialreaktionäre. Wir haben hier nichts anderes als einen auf „schwarzen“ Hautfarbenfetischismus begründeten Linksnationalismus vor uns. Der afroamerikanische Nationalismus war also bis jetzt unfähig einen eigenen Staat zu gründen – und er wird es auch hochwahrscheinlich weiterhin sein. Aber er spaltet ähnlich wie der „weiße“ Rassismus das Proletariat in den USA. Der antinational-sozialrevolutionäre Universalismus bekämpft kompromisslos sowohl „weißen“ als auch „schwarzen“ Hautfarbenfetischismus als Spaltungsmechanismen des Weltkapitals.
Nachdem der afroamerikanische Nationalismus mit dem Ziel einer eigenen Staatsgründung sich nicht durchsetzen konnte, erwies sich lediglich eine „schwarze“ BürgerInnenrechtsbewegung, die für gleiche Rechte für „Weiße“ und „Farbige“ innerhalb der USA eintritt, für eine realpolitische Option.
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Nach der weitgehenden Entkolonialisierung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, griff der westliche Imperialismus Europas und der USA zu neokolonialen Formen der Beherrschung des Trikont (Afrika, Asien und Lateinamerika). Ökonomisch beruhte und beruht er auf dem Freihandel, politisch-diplomatisch auf Erpressungen und auf handfeste direkte sowie indirekte militärische Intervention.
Wie versuchen nun sich entwickelnde Nationen gegen den Imperialismus der ökonomisch überlegenen Konkurrenz erfolgreich ihr eigenes gesamtgesellschaftliches Kapital expansiv zu vermehren? Wurden diese Länder kolonialisiert, so stellt die Erkämpfung der politischen Unabhängigkeit in Form von neuen Nationalstaaten der erste Schritt dar. Weil dieser erste Schritt der politisch-nationalen Unabhängigkeit nur die kapitalistische Produktionsweise reproduzieren kann, bekämpft der antinationale Kommunismus im Gegensatz zum Marxismus-Leninismus und Trotzkismus diesen grundsätzlich als sozialreaktionär. Die politische Unabhängigkeit schützt die jungen Nationen aber noch nicht gegen den ökonomischen Imperialismus der überlegenen Staatenkonkurrenz. Teilweise versuchen sich entwickelnde Industriestaaten gegenüber der überlegenen Konkurrenz und deren ökonomischen Imperialismus durch Schutzzölle, Einfuhregeln oder gar Importverbote von bestimmten Waren durchzusetzen. Dies ist auch die Waffe von niedergehenden Imperialismen gegen aufstrebende Nationen. Zum Beispiel des niedergehenden US-Imperialismus gegen das aufstrebende China.
Imperialistische Großkonflikte zwischen kapitalistisch hochentwickelten Staatengruppen wie der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie der erste Kalte Krieg zwischen Privat- und Staatskapitalismus mit seinen zahlreichen Stellvertreterkriegen kosteten Millionen Menschenleben. Und heute entfaltet sich der zweite Kalte Krieg zwischen dem westlichen auf der einen und dem russländischen und chinesischen Imperialismus auf der anderen Seite. Als gefühlsmäßige Reaktion entwickelte sich darauf ein kleinbürgerlicher Nationalpazifismus. Dieser tritt bei der Weiterexistenz der Staaten für Abrüstung, Frieden und Kooperation zwischen diesen ein. Es kann jedoch nur eine wirkliche Abrüstung geben: die mögliche globale Zerschlagung aller Staaten durch das sich revolutionär selbst aufhebende Weltproletariat. Der kleinbürgerliche Nationalpazifismus betrügt sich selbst und das Weltproletariat, wenn er behauptet die internationale Staatengemeinschaft könne wirksam freiwillig abrüsten. Und auch der Druck von klassenübergreifenden pazifistischen Straßendemonstrationen wird niemals dazu ausreichen, um die Staaten zur Abrüstung zu zwingen.
Frieden zwischen kapitalistischen Staaten ist nur die nichtkriegerische Form der Konkurrenz zwischen ihnen. Durch die Hochrüstung mitten im Frieden ist dieser bewaffnet. Bürgerlicher Frieden trägt den imperialistischen Krieg in sich wie die Wolken den Regen. Er ist keine Alternative zur zwischenstaatlichen Konkurrenz, sondern genau wie der Krieg nur eine Form von dieser. Frieden ist der Zustand vor oder nach dem Krieg. Er ist Zwischenkrieg, hochbewaffnet und verdammt militant, ja Krieg niederer Intensität. In der realen Staatenkonkurrenz bereitet der Krieg den Frieden und der Frieden den Krieg vor. Der Frieden ist innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft keine Alternative zum imperialistischen Krieg, wie der kleinbürgerliche Nationalpazifismus behauptet, sondern nur eine besondere Form des Klassenkrieges der Bourgeoisie gegen das Proletariat. Denn wem nutzt die friedliche Kooperation zwischen zwei Ausbeuterstaaten und wem schadet diese? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten. Das globale kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – und zwar immer auf Kosten des Weltproletariats!
Der kleinbürgerliche Nationalpazifismus versucht mit seinem Ideal der „Völkerverständigung“ und mit dem „Völkerrecht“ unter dem Arm imperialistische Kriege zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Doch das einzige Subjekt, das er damit entwaffnen kann, ist das klassenkämpferische Proletariat. Wer sind die „Völker“, die sich „verständigen“ sollen und deren „Recht“ Grundlage der internationalen Politik sein soll? Die „Völker“ – die allen Rechts- und LinksnationalistInnen als Berufungsinstanz dienen – sind nichts anderes als die klassengespaltenen Bevölkerungen der einzelnen Staaten. Der Nationalpazifismus ertränkt also wie der bürgerliche Militarismus und der linksnationale „Antiimperialismus“ das klassenkämpferische Proletariat im klassenneutralen „Volk“. „Völkerverständigung“ ist nichts anderes als die friedliche Kooperation zwischen den Ausbeuterstaaten und das „Völkerrecht“ ein paar Benimmregeln der „internationalen Gemeinschaft“, die in zwischenstaatlichen Verträgen und in der UNO verkörpert sind. So ist zum Beispiel Staaten das eigenmächtige Führen eines Angriffskrieges „völkerrechtlich“ verboten, was aber zum Beispiel im Jahre 1999 das westlich-imperialistische Kriegsbündnis NATO nicht daran hinderte, gegen Jugoslawien einen Angriffskrieg zu führen. Auch Russland hinderte das „Völkerrecht” nicht 2014 die Krim zu annektieren und am 24. Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen. Das „Völkerrecht“ wird zur ideologisch-propagandistischen Munition der imperialistischen Konkurrenz: Der böse Feind bricht das Völkerrecht!
Materialisiert sind die nationalpazifistische Ideologie und der bürgerliche Internationalismus wie gesagt in der UNO. Diese ist alles andere als eine idyllische „Völkerfamilie“, sondern selbst sowohl ein Subjekt imperialistischer Dominanz der mächtigsten Staaten als auch ein Austragungsort zwischenstaatlicher diplomatisch-politischer Konkurrenz. Macht kommt auch innerhalb der UNO aus dem Gewehrlauf, beziehungsweise aus den Atombomben. So wird die UNO hierarchisch von den fünf ständigen Mitgliedern ihres Sicherheitsrates beherrscht – die ersten und offiziellen Atomwaffenmächte USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China, die auch ein Vetorecht besitzen. Da die UNO nach dem „Völkerrecht“ auch berechtigt ist Kriege zu führen, wurde sie zum Beispiel zu einem legitimatorischen Kleid des US-Imperialismus. So führte der letztgenannte seinen Krieg gegen das staatskapitalistische Nordkorea (1950-1953) als auch jenen gegen den Irak im Jahre 1991 im Namen der UNO. Außerdem ist die UNO auch so etwas wie ein globales Sozialamt, dass das internationale Elend etwas abmildert und verwaltet.
Der antinationale Kommunismus bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg. Sowohl die Kooperation als auch die Konkurrenz zwischen den Nationen. Im globalen Konkurrenzkampf der Nationen bekämpft die sozialrevolutionäre Antipolitik alle und unterstützt keine. Und zwar völlig unabhängig davon, welche Staatsform eine bestimmte Nation hat – oder noch gar keinen eigenen Staat hervorgebracht hat wie der palästinensische Nationalismus –, ob sie politisch von den Rechten, der Mitte oder den Linken regiert wird oder in der internationalen Arena offensiv oder eher defensiv vorgeht. Denn in den Konflikten der Nationalismen wird nur das Weltproletariat im Interesse der Weltbourgeoisie gespalten.
Fazit: Vermittelt durch den globalen Konkurrenzkampf wurde der Kapitalismus zur international herrschenden Produktionsweise in Form von bürgerlichen Nationalstaaten. Industriekapitalistische Nationen waren und sind Agrarstaaten technologisch überlegen. Nur sie können in den ökonomischen und militärischen Konkurrenzkämpfen triumphieren – auch wenn dies nicht sicher ist, siehe die Niederlage des deutschen Imperialismus in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Doch Agrarstaaten haben in der globalen Staatenkonkurrenz von Anfang an schlechte Karten. So zerbrach der russische Zarismus am Ersten Weltkrieg, weil er diesem imperialistischen Gemetzel nicht gewachsen war. Durch die globale Konkurrenz wird eine einigermaßen erfolgreiche Vermehrung des Nationalkapitals zur Bedingung der Realpolitik. Die Industrialisierung wird zur Grundlage erfolgreicher Politik. Politik muss heutzutage notwendigerweise nationalkapitalistisch sein, sonst hat sie international keine Chance.
Der bürgerliche Internationalismus ist als Interaktion der Nationen keine Alternative zum Nationalismus. Dies gilt auch für die Hauptströmungen des „proletarischen Internationalismus“ des Parteimarxismus. Diese betonten und betonen zwar die übernationale Solidarität des Weltproletariats, sind aber nicht bewusst antinational, so wie die sozialrevolutionäre Antipolitik.
Marxismus-Leninismus und Trotzkismus behaupten, dass der Nationalismus „unterdrückter Nationen“ fortschrittlich sei. Doch der Nationalismus in den ehemaligen europäischen Kolonien in Amerika, Afrika und Asien nutzte nur den Oberschichten der sich neu herausbildenden privat- und staatskapitalistischen Nationen, während das Proletariat unter dem neuen staatlichen Firmenschild weiter ausgebeutet und unterdrückt wurde. Nationale „Befreiung“ ist Teil der kapitalistischen Sozialreaktion. Nur die Befreiung von der Nation ist sozialrevolutionär. Deshalb ist proletarisch-revolutionäres Klassenbewusstsein nicht nur antipolitisch, sondern auch notwendig antinational. SozialrevolutionärInnen streben die globale Zerschlagung aller Nationalstaaten und die Herausbildung einer nachkapitalistisch-nachpolitischen, klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft an.
Proletarische RevolutionärInnen verstehen sich nicht als „Deutsche“, „FranzösInnen“, „SüdafrikanerInnen“, „InderInnen“, „ChinesInnen“, „Israelis“, „PalästinenserInnen“ „TürkInnen“ und „KurdInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. ProletarierInnen einer unterdrückten Sprach- und Kulturgruppe innerhalb eines Nationalstaates können sich nicht national, durch das Aufmachen eines neuen staatlichen Saftladens, sondern nur sozialrevolutionär durch die Zerschlagung des alten Nationalstaates befreien. Alle Nationalismen spalten das Weltproletariat.
Die „nationale Autonomie“ aus quasistaatlichen Strukturen – von der ein großer Teil des linksbürgerlichen Internationalismus so begeistert ist –, die sich der syrisch-kurdische Nationalismus erkämpft hat, ist ebenfalls total sozialreaktionär. Der syrisch-kurdische Linksnationalismus ist ein Verbündeter des US-Imperialismus und selbstverständlich ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats.
Letzteres kann in nichtrevolutionären Zeiten, also solange der Klassenkampf im reproduktiven Rahmen des Kapitalismus geführt wird, sich nur ansatzweise zu einer solidarischen Kampfgemeinschaft herausentwickeln. So war der BergarbeiterInnenstreik in Großbritannien 1984/85 nur durch die globale proletarische Solidarität möglich – auch wenn diese von bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten organisiert und von regierenden marxistisch-leninistischen Parteibonzen im Ostblock sozialreaktionär instrumentalisiert wurde. Erst in der möglichen globalen sozialen Revolution kann sich das Weltproletariat wirklich als eine solidarische Kampfgemeinschaft herausbilden – und sich revolutionär aufheben in der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft. Das klare Bekenntnis zum Weltproletariat und seinen möglichen revolutionären Potenzen schützt SozialrevolutionärInnen geistig gegen bürgerlichen Nationalismus und Internationalismus.
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Die Ukraine war lange Bestandteil des russländischen und sowjetischen Imperiums. Dagegen kämpften ukrainische NationalistInnen. Der ukrainische Nationalismus war genauso reaktionär wie der russländische beziehungsweise der sowjetische Imperialismus. Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg war der ukrainische Nationalismus eine Spielkarte in der Hand des deutschen Imperialismus. Gorbatschows Perestroika führte zur Kapitulation des sowjetischen Imperialismus im ersten Kalten Krieg und 1991 zum Zerfall der Sowjetunion. Dadurch entstanden sowohl Russland als auch die Ukraine als neue Nationalstaaten. Zwischen dem kollektiven Westen und Russland entfaltete sich am Anfang eine begrenzte Kooperation. Vor allem aber nutzte der westliche Imperialismus die Todeskrise des sowjetischen Staatskapitalismus beziehungsweise die Transformationskrise zum Privatkapitalismus in Russland zu einer Ostexpansion von EU und NATO, also in der vorherigen Einflusssphäre des Kremls, aus. Auch den imperialistischen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 führte die NATO gegen den Willen Moskaus.
Die Ukraine war kulturell-mental gespalten. Während sich im Westen des Landes der ukrainische Nationalismus entfaltete und eher prowestlich geprägt war und ist, war der Osten eher prorussisch. Die Ukraine lavierte lange zwischen dem westlichen und dem russischen Imperialismus. Das war ab 2013 nicht mehr möglich, weil sowohl der kollektive Westen als auch Russland die Ukraine im jeweils alleinigen Einflussgebiet haben wollte. Die EU strebte ein Assoziationsabkommen mit der Ukraine an, was Moskau durch Druckaufbau vorübergehend verhinderte. Im November 2013 lehnte der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch das Assoziationsabkommen mit der EU. Daraufhin entfaltete sich auf dem Maidan eine reaktionäre Protestbewegung, die auch vom westlichen Imperialismus massiv unterstützt wurde. Die Maidan-Bewegung hatte einen prowestlich-demokratischen und einen ultranationalistisch-faschistischen Flügel. Letzterer wurde immer stärker zur militanten Avantgarde der reaktionären Bewegung. Deshalb bezeichnen wir die Maidan-Bewegung als demokratisch-faschistische Sozialreaktion. SozialrevolutionärInnen mussten weltweit sowohl das Janukowitsch Regime und den russländischen Imperialismus als auch den imperialistischen Westen und die Maidan-Reaktion bekämpfen.
Im Februar 2014 stürzte die vom westlichen Imperialismus unterstützte Maidan-Reaktion durch einen Staatsstreich das Janukowitsch-Regime. Das entstehende prowestliche Regime war extrem nationalistisch, blieb aber formal demokratisch. In dieser Demokratie sind FaschistInnen tief integriert. Ein extremer Ausdruck der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion. Diese ging ultrarepressiv gegen Russischsprachige sowie gegen vermeintliche oder wirkliche prorussische Kräfte vor. Die Ukraine wurde auch ohne formelle Mitgliedschaft in EU und NATO fester Bestandteil des westlichen Imperialismus. Als solcher wurde sie lange vor dem russischen Einmarsch im Februar 2022 massiv von der NATO aufgerüstet.
Nach dem prowestlichen Staatsstreich vom Februar 2014 ging auch der russländische Imperialismus in die Offensive. Der Kreml annektierte im März 2014 die Halbinsel Krim. Diese hatte für Moskau als Stützpunkt seiner Schwarzmeerflotte eine große militärstrategische Bedeutung. Im Osten der Ukraine entwickelte sich im April 2014 der BürgerInnenkrieg. Es gelang prorussischen Kräften die sogenannten „Volksrepubliken” Donezk und Lugansk zu gründen, gegen die der ukrainische Staat militärisch vorging. Der russländische Imperialismus unterstützte die beiden „Volksrepubliken”. Der ukrainische BürgerInnenkrieg war von Anfang an untrennbar mit dem zweiten Kalten Krieg zwischen russischen und westlichen Imperialismus verbunden. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl das Kiewer Regime und den kollektiven Westen als auch die sogenannten „Volksrepubliken” und den russländischen Imperialismus bekämpfen. Im BürgerInnenkrieg in der Ukraine wurden bis zum Einmarsch der russländischen Armee mehr als 14.000 Menschen getötet.
Es gab von Seiten der verfeindeten Imperialismen den Versuch, den BürgerInnenkrieg in der Ukraine diplomatisch zu befrieden. So wurden dann zwischen dem Regime in Kiew und den „Volksrepubliken” im September 2014 und im Februar 2015 die beiden Waffenstillstandsabkommen Minsk I und Minsk II abgeschlossen. Die drei Garantiemächte dieses Waffenstillstandes waren Deutschland, Frankreich und Russland. Dieser Waffenstillstand wurde von beiden Seiten immer wieder gebrochen. Der in Minsk II versprochene besondere Status für die nicht vom ukrainischen Regime kontrollierten Donbass-Gebiete wurde nicht umgesetzt. Kurz vor der imperialistischen Invasion des Kremls in der Ukraine, forcierte das Kiewer Regime seine militärischen Angriffe gegen die „Donbass-Republiken”.
In den Monaten vor der imperialistischen Invasion Russlands in der Ukraine begann Moskau militärisch und diplomatisch aufzurüsten. Der Kreml konzentrierte Truppen an der ukrainischen Grenze und verlangte ultimativ vom westlichen Imperialismus ein Ende der NATO-Osterweiterung, worauf dieser selbstverständlich nicht einging. Der kollektive Westen wiederum warnte Moskau vor einer militärischen Invasion in der Ukraine und drohte mit einer harten Antwort. Die Diplomatie konnte den imperialistischen Interessengegensatz zwischen dem Westen und Russland nicht mehr ausbalancieren. So knallte es wie bereits 2013/14 im Februar 2022 abermals in der Ukraine.
Am 21. Februar 2022 erkannte der Kreml die „Volksrepubliken” auch formal an. Ab dem 24. Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. An dem Angriffskrieg Moskaus nahmen auch die „Volksrepubliken” im Donbass teil. Auch Belarus war am gegenseitigen Abschlachten in der Ukraine beteiligt. Um die NATO von einer direkten Teilnahme am Gemetzel in der Ukraine abzuhalten versetzte Russlands Präsident Putin die „Abschreckungswaffen” – wozu auch die Atomwaffen gehören – in Alarmbereitschaft. Doch selbstverständlich hätte auch Russland den atomaren Gegenschlag des westlichen Imperialismus nicht überlebt. Moskau war gezwungen, die Führung des indirekten Krieges des kollektiven Westens gegen Russland hinzunehmen, wenn es nicht einen atomaren Overkill riskieren wollte.
Der indirekte Krieg des westlichen Imperialismus gegen Russland besteht in der Aufrüstung der Ukraine, deren Versorgung mit Geheimdienstinformationen und der Ausbildung ukrainischer Streitkräfte. Die Ukraine instrumentalisiert die NATO, um sich als Nation zu behaupten und die NATO die Ukraine, um Russland entscheidend zu schwächen. Für alle Imperialismen stellen lebende Menschen nichts als Figuren des großen Spiels dar. Außerdem führt der kollektive Westen einen massiven Wirtschaftskrieg gegen Russland. Durch das militärische Gemetzel in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg sind die Preise für Lebens- und Düngemittel sowie für Energie enorm gestiegen. Das Massaker in der Ukraine sowie der Wirtschaftskrieg ist verschärfter Klassenkampf von oben gegen das Weltproletariat.
Die Invasion des Kremls verlief alles andere als erfolgreich. Zunächst war das sichtliche Ziel Moskaus Kiew einzunehmen, um das prowestliche Regime zu stürzen. Jedoch stieß der russische Imperialismus, wie zu erwarten war, auf den erbitterten Widerstand des ukrainischen Nationalismus. Deshalb gab der russische Imperialismus dieses ursprüngliche Ziel Ende März 2022 auf und konzentrierte sich auf das Gemetzel in der Ost- und Südukraine. Inzwischen hat Russland die davor ukrainischen Gebiete Donezk, Lugansk, Saporischschja und Cherson annektiert. Aber auch die ukrainische Gegenoffensive ist nicht ohne Erfolge.
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