11. Politische Parteien als Basiseinheiten der bürgerlichen Politik
In den meisten politischen Systemen des Kapitalismus sind Parteien die politischen Basiseinheiten. Sie konkurrieren untereinander um die Beherrschung der Staatsapparate. Diese Konkurrenz der politischen Parteien um die Staatsmacht kann den Kapitalismus – ob in privater oder verstaatlichter Form – nur reproduzieren. Politische Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Letztere bildet in der politischen Konkurrenz die Manövriermasse der führenden ParteipolitikerInnen. Diese wird in pluralistisch-demokratischen Mehrparteiendiktaturen in Form von freien Wahlen ausgetragen. Außerdem entwickelten sich in der Geschichte der politischen Formen der kapitalistischen Herrschaft und des Konkurrenzkampfes auch faschistische und marxistisch-leninistische Einparteiendiktaturen.
Dieser letzte Satz wird der Marxismus-Leninismus wieder in der Propagandaschlacht gegen uns ausnutzen, um uns eine angebliche Nähe zur Totalitarismustheorie zu unterstellen. Das ist natürlich Unsinn. Die Totalitarismustheorie ist dazu da, um die Praxis der liberaldemokratischen politischen Mitte zu rechtfertigen und die pluralistisch-demokratische Mehrparteiendiktatur ideologisch gegen Faschismus/Nationalsozialismus und „Kommunismus“ abzugrenzen. Im Gegensatz zum Marxismus-Leninismus, der sich als kleinbürgerliche Oppositionskraft innerhalb stabiler Demokratien an diese opportunistisch anpasst, bekämpfen wir SozialrevolutionärInnen demokratische Regimes genauso konsequent wie alle anderen Staatsformen – einschließlich der marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. Das auch der bürgerlich-proprivatkapitalistische Antikommunismus diese Parteidiktaturen bekämpft, schafft keine inhaltliche Nähe. Im Gegenteil, der proprivatkapitalistische Antikommunismus nutzt das hässliche Antlitz der marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen der Vergangenheit (DDR, Sowjetunion, Jugoslawien…) und Gegenwart (China, Vietnam und Kuba), um gegen den Kommunismus zu hetzen. Wir weisen dagegen nach, dass der Marxismus-Leninismus nichts mit Kommunismus als der sozialrevolutionären Befreiungsbewegung des Proletariats zu tun hat, ja nichts anderes als rotlackierter Antikommunismus ist. „Kommunistische“ Parteien sind in der Regel die widerlichsten aller bürgerlichen Parteien, weil sie zu einem „revolutionären“ Sound als Ideologieproduktion doch nur durch ihre politische Praxis Kapital und Staat reproduzieren können – und die paar Ausnahmen, die es gab, dürfen nicht kritiklos abgefeiert, sondern müssen kritisch gewürdigt werden.
Mensch kann innerhalb von Demokratien zwischen kleinbürgerlichen Protestparteien (faschistische in stabilen Demokratien, die junge Grüne Partei der frühen 1980er Jahre in der BRD, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkssozialdemokratie) und großbürgerlichen, voll von der Bourgeoisie anerkannten und tief in das Nationalkapital integrierte Regierungs- und systemloyalen Oppositionsparteien differenzieren. Wobei natürlich kleinbürgerliche Protestparteien eine starke Tendenz haben, sich in großbürgerliche Systemparteien zu transformieren.
Im Gegensatz zur kapitalistischen Warenproduktion, den bürgerlichen Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung, der Familie als biosozialen Reproduktionsverhältnis und den bürgerlichen Nationalismus und Internationalismus sind die politischen Parteien keine absolut notwendigen Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. In den mittelalterlichen handelskapitalistischen Stadtrepubliken, absoluten Monarchien, islamistischen Gottesstaaten oder Militärdiktaturen spielten und spielen politische Parteien keine oder eine untergeordnete Rolle. Aber im Verlauf der konkreten Entwicklung der bürgerlichen Politik im 19., 20. und 21. Jahrhundert haben sich die politischen Parteien zwar nicht zu absolut notwendigen, aber weit verbreiteten Basiseinheiten entwickelt.
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