10. Staatsinterventionismus

July 28th, 2023

Zwischen ca. 1780 und 1873 entwickelte sich der junge Industriekapitalismus der relativ freien Konkurrenz. In diesem häufte sich das europäische und nordamerikanische Industriekapital ursprünglich an. Der junge Industriekapitalismus war durch eine hemmungslose Überausbeutung der LohnarbeiterInnen geprägt. Die Arbeitszeit dauerte so lange, dass sich die ProletarierInnen nicht erholen konnten, sondern biosozial degenerierten. Der Lohn war oft so niedrig, dass die proletarischen Familien nicht von ihm leben konnten. Die kapitalistische Überausbeutung gefährdete die biosoziale Reproduktion des Proletariats – und damit die wichtigste Quelle des industriellen Kapitalismus. Es sind die LohnarbeiterInnen, die produktiv das Kapital vermehren!

Um zu überleben, traten die Lohnabhängigen in den Klassenkampf (siehe Kapitel II.1). Durch diesen und durch die aktive Politik des Staates – der auch durch proletarischen Druck aktiv wurde – wurde die kapitalistische Überausbeutung eingedämmt. Im Interesse der Kapitalvermehrung selbst. War der junge Industriekapitalismus relativ frei von staatlicher Einmischung, entwickelte sich ab 1873 der Staatsinterventionismus. Als Staatsinterventionismus bezeichnen wir die ökonomische Interaktion von Kapital und Staat in Form von Besteuerung, Staatsaufträgen und Subventionen sowie staatliche Eingriffe in die beziehungsweise die gesetzliche Regulation der kapitalistischen Privatwirtschaft. Der klassische Staatsinterventionismus, der mit einer massiven Expansion auch der ökonomischen Bedeutung der politischen Gewaltapparate einherging, dauerte von 1873 bis 1973. Danach entwickelte sich in den damaligen Kernregionen des Privatkapitalismus, Westeuropa und Nordamerika, die strukturelle Profitproduktionskrise. Diese war mit einer sozialen und politischen Offensive des Privatkapitals verbunden, die von den politischen Linken vorwiegend als „Neoliberalismus“ bezeichnet wird, die aber nicht einfach eine Rückkehr zum Industriekapitalismus der relativ freien Konkurrenz darstellt, sondern eine besondere Form des Staatsinterventionismus unter den Bedingungen der strukturellen Profitproduktionskrise ist.

Der klassische Staatsinterventionismus kann in drei Phasen eingeteilt werden: in seine Entstehungsphase (1873-1914), in eine Phase einer großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Instabilität (1914-1945) und in die des privatkapitalistischen Nachkriegsaufschwunges in Westeuropa und Nordamerika (bis 1973).

Ökonomisch-technologisch war die Entstehungsphase des Staatsinterventionismus sowohl von den bereits im Industriekapitalismus der relativ freien Konkurrenz existierenden Wirtschaftsbranchen (Textil-, Montan- und Bauindustrie, sowie dem Maschinenbau) als auch von den in ihr neu entstandenen (Chemie- und Elektroindustrie) geprägt. Die Wirtschaftskrise von 1873 beendete die sogenannte „Industrielle Revolution“ in Großbritannien sowie Mittel- und Westeuropa. Kapitalistische Industrienationen gelangten jetzt in eine Periode eines verlangsamten Wirtschafswachstums, in der die zyklischen Abschwünge tief, aber die Aufschwünge relativ schwach ausgeprägt waren. Diese „Große Depression“ dauerte etwa bis 1895. Zwischen 1895 und 1913 befanden sich die mächtigsten Industrienationen in der Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung.

Eine Form des Staatsinterventionismus stellt der Sozialstaat dar. In Deutschland wurde 1883 ein Krankenversicherungsgesetz und 1884 ein Unfallversicherungsgesetz verabschiedet, während 1889 die Alten- und Invalidenversicherung eingeführt wurde. Der britische Staat führte 1908 die Rente für Siebzigjährige ein und im Jahre 1914 eine allgemeine Sozialversicherung. Dänemark schuf 1891 die „Volksrente“, Schweden folgte 1913.

Der entstehende Sozialstaat dämmte die kapitalistische Überausbeutung des Proletariats ein, hob diese aber nicht grundsätzlich auf. Die Sozialstaatsideologie erzeugt im Proletariat die Illusion, als würde der bürgerliche Staat überparteiisch über den Klassen stehen. Aber der Sozialstaat ist ein ideeller Gesamtkapitalist, der im Interesse der Fortexistenz der kapitalistischen Produktionsweise die biosoziale Reproduktion des Proletariats gewährleistet. Der Staatsinterventionismus nahm dem Kapitalismus etwas von seiner ursprünglichen Grobschlächtigkeit, aber nichts von seiner grundsätzlich sozialreaktionären Zivilisationsbarbarei. Weil er auf Ausbeutung, Unterdrückung und wenn nötig nackter Gewalt beruht, ist der Staatsinterventionismus selbst total sozialreaktionär, trotz aller Illusionen in ihn, die besonders große Teile der politischen Linken erzeugen.

Nicht nur durch die Entstehung des politischen Soziallohnes durch den Staatsinterventionismus verbesserte sich im Verhältnis zum Industriekapitalismus der relativ freien Konkurrenz die biosoziale Reproduktion des Proletariats. In Folge der „Großen Depression“ sanken die Warenpreise (Deflation), wodurch die Reallöhne der ProletarierInnen stiegen. Der weitere Anstieg der Reallöhne wurde auch durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität möglich. Doch ein zu starker Anstieg der Geldlöhne ist aus der Kapitalvermehrungsperspektive heraus betrachtet – sozusagen die strukturelle Sicht unseres Klassenfeindes – auch gefährlich. Sie kann sich verschärfend auf die latente oder strukturelle Profitproduktionskrise auswirken.

Schauen wir uns kurz die Bedeutung des Staatsinterventionismus für die Kapitalvermehrung an. Wie bereits weiter oben dargestellt, sicherte der politische Soziallohn, der mit dem entstehenden Sozialstaat verbunden war, die biosoziale Reproduktion des Proletariats gegen die kapitalistische Überausbeutung. Er erhöhte allerdings auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Mehrwertproduktion. Der Sozialstaat übte einen gewissen Druck auf die Profitproduktion aus, während er die Profitrealisation in der Konsumgüterindustrie stabilisierte.

Für die privatkapitalistische Profitproduktion und -realisation günstig waren dagegen die militärische Aufrüstung der Staaten und die imperialistischen Kriege. Der Staat war der sichere Kunde der Rüstungsproduktion. Militärische Aufrüstung und Krieg wurden zu wichtigen Aspekten des Staatsinterventionismus. Der Staat sorgte neben der Kapitalvermehrung (Nachfrage nach Produktionsmitteln) und des Konsums (Nachfrage nach Konsumgütern) mit seiner Nachfrage nach ziviler Infrastruktur (zum Beispiel Schulen) und militärischen Zerstörungsmitteln für die Entstehung einer dritten Quelle für die Profitrealisation.

Der Imperialismus führte als ökonomische, politisch-diplomatische, ideologisch-propagandistische und militärisch-kriegerische Expansion der Nationalstaaten zur „weißen“ Kolonialisierung Afrikas, Amerikas, Australiens sowie Teilen von Asien und des Pazifiks (siehe Kapitel I.12). Das Privatkapital profitierte von diesem kolonialen Imperialismus in Form von Eroberung und Sicherung von Rohstoffquellen, Warenabsatzmärkten und Investitionsstandorten für den produktiven Kapitalexport. Soziale Konflikte in den kapitalistischen Industrienationen konnten durch die Besiedlung neuer Kolonialgebiete entschärft werden. Der Kolonialismus war aber andererseits für die imperialistischen Mächte sehr kostspielig. Gebiete wurden auch militärisch erobert, wenn der ökonomische Ertrag eher gering ausfiel – um diese Territorien nicht der Konkurrenz zu überlassen. Für die kolonialisierten Menschen war der europäische Kolonialismus ein einziger zivilisationsbarbarischer Alptraum. Der Imperialismus wurde also zu einem wichtigen Ausdruck und einer Bewegungsform des kapitalistischen Staatsinterventionismus. Bis 1914 war Großbritannien die führende imperialistische Macht der Welt.

Der westeuropäische und nordamerikanische Kapitalismus geriet 1913 durch den tendenziellen Fall der Profitrate in die strukturelle Profitproduktionskrise. Die zyklische Krise von 1913, in der sich alle großen Nationalkapitale befanden, war gleichzeitig der Übergang des westeuropäischen und nordamerikanischen Kapitalismus in die strukturelle Profitproduktionskrise. In diesem Zustand befand sich die westeuropäische und nordamerikanische Kapitalvermehrung bis 1945. Diese Periode der globalen Kapitalvermehrung war durch einen nicht besonders nachhaltigen sozialökonomischen Aufschwung in den 1920er Jahre – und die besonders tiefe Weltwirtschaftskrise ab 1929 geprägt.

Auf die strukturelle Profitproduktionskrise reagiert die Bourgeoisie, indem sie versucht die Ausbeutung der Lohnabhängigen zu erhöhen. Das lässt die Mehrwertrate – das Verhältnis zwischen dem Mehrwert und den Lohnkosten – ansteigen. Allerdings wehrt sich auch das klassenkämpferische Proletariat gegen die verschärfte Ausbeutung. Eine strukturelle Profitproduktionskrise kann also mit einem wachsenden Klassenkampf verbunden sein. So führte die wachsende Verelendung als Folge des Ersten Weltkrieges zur revolutionären Nachkriegskrise in Europa (1917-1923, siehe die Kapitel V.1-V.3). Doch die Konterrevolution konnte siegen, wodurch sich die westeuropäische und nordamerikanische Kapitalvermehrung relativ stabilisieren konnte.

Die Kapitalvermehrung ist die Nachfrage nach Produktionsmitteln. KapitalistInnen investieren jedoch nur verstärkt in die Produktion, wenn sie hohe Profite erwarten. Die strukturelle Profitproduktionskrise führt also zur potenziellen Profitrealisationskrise der Produktionsmittelindustrie. Und zu einer wachsenden Spekulation mit Wertpapieren. Wenn die Produktion nicht mehr profitabel genug ist, fließt das Kapital zunehmend in die Finanzspekulation. So war auch der zyklische Aufschwung des US-amerikanischen Nationalkapitals in den 1920er Jahren stark spekulationsgetrieben. Und Spekulationsblasen pflegen irgendwann zu platzen. So verdreifachte sich zwischen 1924 und 1929 der Preis US-amerikanischer Aktien. Die Dividenden der Aktien, also die Profitausschüttungen auf die die AktionärInnen einen verbrieften Anspruch besaßen, konnten mit diesem gewaltigen Kursanstieg unmöglich mithalten. Das fiktive Kapital wuchs schneller als das produktive. Eine Aktienspekulationsblase war mit reichlicher Mithilfe der Banken durch großzügige Kredite zur Auffüllung der Spekulationskasse entstanden, die irgendwann platzen musste – und sie platzte am „Schwarzen Donnerstag“, dem 24. Oktober 1929, als die Aktienkurse in den USA massiv zu fallen begannen. Bis Montag, den 28. Oktober 1929, waren sie um 20 Prozent gefallen. An den europäischen Börsen brachen die Aktienkurse ab dem 25. Oktober 1929 ein, weshalb sich hier der Begriff „Schwarzer Freitag“ einbürgerte. Die Aktienspekulation war durch Bankkredite angefeuert wurden, durch das Platzen der Spekulationsblase konnten nun viele Kredite nicht mehr zurückbezahlt werden, Banken starben massenweise. Allein zwischen September 1931 und Ende Januar 1932 schlossen in den USA 1.702 Banken. Damals gab es keine Bankenrettungsprogramme.

Doch die Finanzkrise war nur ein besonders Aufmerksamkeit erheischender Aspekt der Weltwirtschaftskrise von 1929. Gleichzeitig war sie eine Überproduktionskrise der kapitalistischen Warenproduktion, welche wiederum auf Schwächen der Kapitalvermehrung zurückzuführen ist. Die Kapitalvermehrung, also die Verwandlung von Mehrwert in produktives Kapital, stellt ja die Nachfrage für die Produktionsmittelindustrie dar. Expandiert nun das gesellschaftliche Gesamtkapital langsamer als die Produktionsmittelindustrie oder bestimmte Branchen von ihr, so kommt es in letzterer zur Überproduktionskrise, welche letztendlich auch immer eine Untervermehrungskrise des produktiven Gesamtkapitals darstellt. Die Überproduktionskrise von Produktionsmitteln führt zur Massenarbeitslosigkeit und Reallohnsenkung, beides zieht die proletarische Nachfrage nach Konsumgütern in den Keller. Es entwickelt sich eine Überproduktionskrise von Konsumgütern. Der Kapitalismus hat den Wahnsinn produziert, das auf den Märkten schwer beziehungsweise überhaupt nicht verkäufliche Lebensmittel und Häuser existieren, während massenweise Menschen hungern und ohne Obdach dastehen. Die Überproduktionskrise von Produktionsmitteln und Konsumgütern beziehungsweise die Untervermehrungskrise des produktiven Gesamtkapitals wird dadurch begünstigt, dass im „normalen“ Kapitalismus durch das Menschenrecht auf Privateigentum an Produktionsmitteln eine wirkliche gesamtwirtschaftliche Planung unmöglich ist. Die Regellosigkeit wird zur Regel. Die PrivatkapitalistInnen lassen so viel produzieren wie möglich, um dann auf den verschiedenen Märkten feststellen zu müssen, dass sie im Verhältnis zur zahlungsfähigen Nachfrage überproduziert hatten. So war es auch im Jahre 1929 im Weltmaßstab. Eine Überproduktion führt zur Senkung der Produktion und damit zur Unterkapitalvermehrungskrise für Produktionsmittelunternehmen und Staaten die sich in der globalen Arbeitsteilung auf Rohstoffexport spezialisiert hatten. Die Unterkapitalvermehrungskrise in den Industriestaaten von 1929 führte zur Überproduktionskrise von Rohstoffen in den rohstoffproduzierenden und -exportierenden Staaten.

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war deshalb so tief und zerstörerisch, weil sie unter den Bedingungen einer strukturellen Profitproduktionskrise ausbrach. Alle angehäuften Widersprüche der bisherigen Periode der Kapitalvermehrung explodierten mit einer gewaltigen Zerstörungskraft. Die Tatsache, dass im Kapitalismus nur die zahlungsfähigen Bedürfnisse zählen, führte während der Weltwirtschaftskrise von 1929 zur massenhaften Überproduktion und gleichzeitigen Unterkonsumtion. Die Bedürfnisse nach Produkten waren da, die Produkte existierten auch. Doch viele ProletarierInnen und KleinbürgerInnen hatten nicht genug Geld, um sich die Güter kaufen zu können. So blieben massenhaft Bedürfnisse unbefriedigt, während gleichzeitig die Güter zu ihrer Befriedigung im Verhältnis zur zahlungsfähigen Nachfrage überproduziert worden sind. Wahrlich, die „unsichtbare Hand des Marktes“, von der die WirtschaftsprofessorInnen als Kopflanger der Bourgeoisie in Aufschwungszeiten so schwärmen, hatte verdammt viel Chaos angerichtet und Elend produziert! Im Krisenherd USA war innerhalb von drei Krisenjahren das Bruttoinlandsprodukt um ein Drittel gefallen und jeder vierte US-Amerikaner hatte seinen Job verloren.

Doch während der Weltwirtschaftskrise von 1929 explodierten nicht nur alle angehäuften Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise mit einem ohrenbetäubenden Knall, sie leistete auch einen wichtigen Beitrag, um die Kapitalvermehrung wieder gesund zu schrumpfen. In der Weltwirtschaftskrise vermischten sich die konjunkturelle und die strukturelle Überanhäufung von Kapital, die gleichzeitig eine Unteranhäufung von Kapital war. Das gesellschaftliche Gesamtkapital war noch nicht konzentriert und zentralisiert genug, um wieder genug Profit für eine beschleunigte Kapitalvermehrung produzieren zu können. Es existierte zu viel kleines und nicht überlebensfähiges Einzelkapital. In der Krise geht solches Einzelkapital verstärkt Bankrott, während die großen und ökonomisch potentesten Kapitale massenhaft bankrottes und nicht mehr überlebensfähiges Kapital fressen. So war es auch in der Weltwirtschaftskrise ab 1929. Durch die Überproduktion von Produktionsmitteln fielen deren Preise und damit stieg die Profitrate des produktiven Kapitals, während durch die Arbeitslosigkeit und der gleichzeitigen Intensivierung der Ausbeutung der verbliebenen Arbeitskräfte die Mehrwertrate stieg. Der Fall der Produktionsmittelpreise und der Anstieg der Mehrwertrate führten zur langsamen Erholung der Profitrate.

Doch eine wachsende Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals reicht noch nicht aus, um aus einer konjunkturellen und strukturellen Profitproduktionskrise zu gelangen. Es wurde zu viel Warenkapital im Verhältnis zur zahlungsfähigen Nachfrage produziert, es existierten zu viele Fabriken in denen zu viele ProletarierInnen zu viel Mehrwert produzierten, der sich nicht auf den Märkten realisieren ließ. Die wachsende Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in der Krise führt immer auch zu Werkschließungen und Massenentlassungen. Gleichzeitig wird massenhaft Warenkapital zerstört, was sich auf den verschiedenen Märkten entweder nur sehr langsam, ungenügend oder gar nicht mehr in Geldkapital umwandeln lässt. Durch die massenhafte Zerstörung von Waren soll ein für das Kapital wieder günstigeres Verhältnis zwischen zahlungsfähiger Nachfrage und Angebot hergestellt werden. Während der Weltwirtschaftskrise wurden in den USA 1933 zehn Millionen Hektar Baumwolle, was ein Viertel der gesamten Anbaufläche war, unter die Erde gepflügt. In Dänemark wurden pro Woche 1.500 Kühe geschlachtet und ihr Fleisch zu Kunstdünger verarbeitet, während in Brasilien zehn Millionen Sack Kaffee zum Straßenbau verwendet, ins Meer geworfen oder verbrannt wurden.

Die US-Nettokapitalbildung betrug zwischen 1929 und 1938 mickrige 1,4 Prozent. Die großen imperialistischen Staaten sorgten durch öffentliche Arbeiten und Aufrüstung für zusätzliche Nachfrage, während die Weltwirtschaftskrise von 1929 die Nachfrage nach Produktionsmitteln und Konsumgüter stark einbrechen ließ. Aber durch diese Erhöhung der Staatsnachfrage per Kredit konnte weder in den USA noch weltweit die Vermehrung des Privatkapitals wirklich wieder in den Schwung kommen. Die durchschnittliche internationale Profitrate fiel in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 auf unter 10 Prozent.

In den USA entwickelte sich in den 1930er Jahren als Folge der Massenarbeitslosigkeit, die die Weltwirtschaftskrise ab 1929 mit sich brachte, eine radikale Erwerbslosenbewegung. Diese wurde durch Repression und den Ausbau des Sozialstaates unter US-Präsident Roosevelts „New Deal“ niedergeschlagen. So führte Roosevelt die erste umfassende Arbeitslosenunterstützung in den USA ein. Der US-Präsident versuchte auch die rassistisch unterdrückten sowie die religiös benachteiligten Minderheiten in die US-Nation zu integrieren, das sollte dieser mehr „inneren Frieden“ bringen – am Vorabend des großen imperialistischen Gemetzels des Zweiten Weltkrieges.

Das Kernstück des New Deal waren die staatlichen Beschäftigungsprogramme. Jedoch reichten diese staatlichen Arbeiten in Nationalparkanlagen, im Straßenbau, durch Flussregulierungen, Wiederaufforstungen und anderes nicht aus, um die Arbeitslosigkeit entscheidend zu reduzieren. Aber die Arbeitslosenzahl sank durch diese Maßnahmen auf 6 Millionen. Allerdings gab es bereits 1937 in der US-amerikanischen Kapitalvermehrung wieder deutliche Krisenanzeichen. Es entwickelte sich eine tiefe Rezession. Die Warenpreise fielen, die Aktienkurse sanken, die Umsätze der Einzelkapitale stürzten bis zum Ende des Jahres 1937 um 27 Prozent, während die Zahl der Arbeitslosen um zwei Millionen stieg. Erst der Zweite Weltkrieg beseitigte in den USA die Krise und die Arbeitslosigkeit. Der Zweite Weltkrieg löste die strukturelle Profitproduktionskrise des westeuropäischen und nordamerikanischen Kapitalismus.

Eine strukturelle Profitproduktionskrise führt zu einem wachsenden kapitalistischen Konkurrenzkampf. Nicht nur zwischen den Einzel-, sondern auch den Nationalkapitalen. Dass die Periode der strukturellen Profitproduktionskrise mit zwei massenmörderischen Weltkriegen verbunden war, war alles andere als ein Zufall.

In der Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung hatte 1890 die USA Großbritannien als global führende Industrienation abgelöst. Auch das Deutsche Reich überrundete 1913 Großbritannien. Deutschlands Anteil an der Weltindustrieproduktion betrug 1913 14,8 Prozent, der britische Anteil betrug zu dieser Zeit lediglich 13,6 Prozent. Das deutsche Kaiserreich war bei der Aufteilung der Welt zu spät gekommen. Die deutschen Bestrebungen nach Kolonien und Einflusszonen konnten nur mit den wirtschaftlichen Interessen (Rohstoffquellen sowie Orte des Waren- und Kapitalexportes) und geostrategischen Positionen der europäischen Großmächte Großbritannien und Frankreich zusammenstoßen. Was sich ökonomisch andeutete, setzte sich militärisch in zwei Weltkriegen durch: die Ablösung Großbritanniens als führender privatkapitalistischer Weltmacht durch die USA. Der deutsche Imperialismus war ein größenwahnsinniger Abenteurer, der in zwei globalen Großmassakern versuchte, die Welt neu aufzuteilen. Die USA waren von ihren ökonomischen und militärischen Potenzen her eine viel erfolgreichere Imperialistin, sie stellten sich in beiden Weltkriegen gegen Deutschland – und drückten auch ihre militärischen westeuropäischen Verbündeten und wirtschaftlichen Konkurrenten an die Wand. Der Entscheidung von ultraimperialistischen Kreisen der USA von 1940/41 in dem großen Gemetzel des Zweiten Weltkrieges direkt mitzumischen, war zugleich eine Weichenstellung dafür, um zukünftig in der Weltpolitik ein gewaltiges Wort mitzureden. Die USA als imperialistische Weltpolizistin wurden 1940/41 geboren. Nach 1945 waren sie die führende und dominierende privatkapitalistische Weltmacht.

Für die internationale Kapitalvermehrung – besonders für die US-amerikanische – waren die großen Blutbäder der zwei Weltkriege eine Kur. Die gewaltige Nachfrage der Staaten an Mordwerkzeug belebte die privatkapitalistische Profitproduktion und -realisation. Die gewaltige physische Zerstörung an Produktionsmitteln in Westeuropa im Zweiten Weltkrieg ermöglichten und erforderten einen privatkapitalistischen Aufschwung, der in den Anfangsjahren vor allem durch US-amerikanischen Kapitalexport finanziert wurde. Er war mit einem weiteren Anwachsen des Staatsinterventionismus verbunden, sowohl in der Form des Sozialstaates als auch in der des militärisch-industriellen Komplexes – die starke Verschmelzung von Politik, Militär und vorwiegend privater Rüstungsindustrie – besonders in den USA verbunden. Die durchschnittliche internationale Profitrate erholte sich in den 1940er und 1950er Jahren nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 wieder und erreichte bis in die 1960er Jahre etwa 16 Prozent.

Doch dieser privatkapitalistische Nachkriegsaufschwung dauerte nicht ewig. In den 1970er Jahren begann die durchschnittliche internationale Profitrate wieder zu sinken. 1974/75 lag sie bei 10 Prozent. Der westeuropäische und nordamerikanische Kapitalismus geriet ab 1974 in die strukturelle Profitproduktionskrise. Diese kam in der zyklischen Weltwirtschaftskrise von 1974/75 zum Ausdruck. Die strukturelle Profitproduktionskrise Westeuropas, Nordamerikas und Japans – ab Ende der 1980er Jahre geriet auch dieser Staat in diese – war dadurch geprägt, dass die Aufschwünge jetzt weniger expansiv waren, die zyklischen Krisen aber häufiger und tiefer wurden. Zunächst vertiefte sich die strukturelle Profitproduktionskrise bis in die 1980er Jahre. Der tendenzielle Fall der Profitrate wurde in Westeuropa und in Nordamerika durch die Erhöhung der Profitmasse kompensiert. Kleine und kriselnde Einzelkapitale verschwanden vom Markt oder wurden durch größere und ökonomisch erfolgreichere geschluckt. Doch um die Profitrate zu stabilisieren oder gar wieder erhöhen zu können, musste die Ausbeutungsrate der Lohnabhängigen erhöht werden. Außerdem mussten im Interesse des Privatkapitals der staatliche öffentliche Dienst und die staatskapitalistischen Tendenzen innerhalb der westeuropäischen und nordamerikanischen Ökonomien durch Privatisierung zurückgedrängt werden. Diese „neoliberale“ Offensive der westlichen Bourgeoisie begann Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre. So wurde das Proletariat zum Objekt der neoliberalen Offensive der Weltbourgeoisie, deren Helden Augusto Pinochet (Chile), Margaret Thatcher (Großbritannien), Ronald Reagan (USA), Helmut Kohl und noch im verstärkten Maße Gerhard Schröder (BRD) wurden.

Die „neoliberale“ Wirtschaftspolitik – die Privatisierung großer Teile der Infrastruktur, die Deregulierung/Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und das „Sparen“ auf Kosten der biosozialen Reproduktion des Proletariats sowie der staatlichen Infrastruktur – entspricht sowohl den Bedürfnissen der Kapitalvermehrung in der strukturellen Profitproduktionskrise und ist als auch Teil der Krisendynamik. Sie dämmt die strukturelle Profitproduktionskrise durch den Klassenkampf von oben, durch den die Mehrwertrate stabilisiert oder gar wieder erhöht wird, ein. Gleichzeitig führt sie potenziell als Druck auf die Reallöhne zu zyklischen Profitrealisationskrisen in der Konsumgüterindustrie. Außerdem können die Privatisierungen im öffentlichen Dienst auch zu Chaos und Desorganisation führen, wie zum Beispiel bei den britischen Eisenbahnen. Es wurden auch staatliche Repressionsorgane wie Knäste privatisiert und es entstanden private Militärfirmen.

Durch diese Privatisierungspolitik der kapitalistischen Staaten konnte das Privatkapital neue Sphären erobern, was dabei half, die strukturelle Profitproduktionskrise einzudämmen. Außerdem wurde der tendenzielle Fall der Profitrate durch eine höhere Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals kompensiert. Auch verlagerten europäische und nordamerikanische KapitalistInnen ihre industriellen Fertigungsstellen in Niedriglohnländer in Asien, was in den Zentren des Kapitalismus zu einer gewissen Deindustrialisierung führte.

Besonders stark ausgeprägt war diese Dreiecksbeziehung von Einzelkapitalvernichtung, wachsender Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und zunehmende Deindustrialisierung in den letzten Jahren vor der Krise ab 2007 – und besonders verkörpert wurde sie von den Private Equity-Firmen. Diese machten ihren Profit damit, dass sie mit einem großen Anteil von Bankkrediten und relativ niedrigem Eigenkapital andere Firmen aufkauften, die gekauften Unternehmen mit den Schulden des Kaufs belasteten und nach ein paar Jahren diese weiterverkauften. Da die Private Equity-Firmen in der Regel nicht an einem langfristigen Engagement in den gekauften Unternehmen interessiert waren, wurden alle langfristigen Investitionen möglichst heruntergefahren, dafür aber alles, was den Profit auch kurzfristig hebt, unternommen, also die kapitalistischen Angriffe auf das Proletariat in den übernommenen Firmen durch Entlassungen, Lohnsenkungen, Arbeitszeitverlängerung und/oder Erhöhung der Arbeitsintensität massiv verschärft. Selbst wenn am Ende vom gekauften Unternehmen nur noch eine verschuldete Konkursmasse übrigblieb, war die vorherige Übernahme dieser nun bankrotten Firma für die Private Equity-Firma oft ein lohnendes Geschäft, da sich diese Art von Kapitalinvestition besonders schnell rentiert. Durch dieses Private Equity-Kapital wurde massiv anderes Kapital vernichtet. Die Private Equity-Firmen hatten ihre Hochzeit im ersten Halbjahr 2007 – kurz vor Ausbruch der Krise.

Durch diese Vernichtung von Teilkapital bei gleichzeitiger erhöhter Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals kann die vom Proletariat produzierte Profitmasse zunehmen, was wiederum den tendenziellen Fall der Profitrate ausgleicht. Die Profitrate selbst kann das gesellschaftliche Gesamtkapital nur durch eine massive Erhöhung der Ausbeutung des Proletariats einigermaßen stabilisieren. Diese enorme Erhöhung der Mehrwertrate gelang dem westeuropäischem und nordamerikanischen Privatkapital durch eine gewaltige Offensive. Diese gelang, weil während einer strukturellen Kapitaluntervermehrungskrise die Arbeitsproduktivität schneller wächst als das Kapital und dies zur Massenarbeitslosigkeit führt. Es werden immer bessere Maschinen produziert, die immer mehr menschliche Arbeitskräfte verdrängen – gleichzeitig werden nicht genug neue Fabriken aufgemacht, um die in den alten Fabriken „freigesetzten“ Arbeitskräfte aufsaugen zu können. Das Ergebnis ist eine strukturelle Massenarbeitslosigkeit. So war es auch in Westeuropa und in den USA ab Mitte der 1970er Jahre. Die strukturelle Massenarbeitslosigkeit entwickelte sich zusammen mit der strukturellen Kapitaluntervermehrungskrise, die in der Weltwirtschaftskrise von 1974/75 zum Ausdruck kam. So betrug in den hochindustrialisierten privatkapitalistischen OECD-Staaten die Zahl der offiziell registrierten Erwerbslosen in den Jahren 1969 bis 1971 durchschnittlich pro Jahr 10 Millionen. Im Jahre 1975 erhöhte sich diese Zahl auf 16,5 Millionen. Während es zum Beispiel in der BRD 1973 im Jahresdurchschnitt 273.000 offiziell registrierte Erwerbslose gab, waren es 1974 bereits knapp 600.000 und im Jahre 1975 1,1 Millionen. Der ab 1975 einsetzende konjunkturelle Aufschwung führte nicht wieder zurück zur Vollbeschäftigung. In der BRD gab es 1978 noch etwas über eine Millionen Erwerbslose.

Durch diese strukturelle Massenarbeitslosigkeit ab Mitte der 1970er Jahre in den USA und in Westeuropa wurde die Zufuhr von Arbeitskräften auf den Arbeitsmärkten höher als die Nachfrage des Kapitals nach diesen, was die Klassenkampfposition des Proletariats verschlechterte. So gelang es dem Kapital die Mehrwertrate massiv zu erhöhen. In den USA verringerte sich zwischen 1970 und 1985 der jährliche Lohnzuwachs von mehr als 12 auf rund 4 Prozent. Die Stagnation der Löhne und die permanente Geldentwertung waren in diesem Staat mit einer Zunahme des absoluten Elends des Proletariats verbunden. So sank das durchschnittliche Wocheneinkommen in den Vereinigen Staaten zwischen 1970 und 1986 um 14,3 Prozent. Während in den USA zwischen 1979 und 2018 die Arbeitsproduktivität um 134 Prozent stieg, wuchsen die Löhne im selben Zeitraum nur um 24 Prozent. Die US-amerikanischen Lohnabhängigen verelendeten also im Verhältnis zur enorm gestiegenen Reichtumsproduktion relativ.

Und auch im Verhältnis zur US-Bourgeoisie. Das lässt sich besonders gut an dem Verhältnis von Lohnabhängigen zu den CEOs, den TopmanagerInnen der großen Konzerne, verdeutlichen. In den USA stellen die CEOs zwei Drittel des reichsten ein Prozent aller Haushalte. Im Jahr 2019 verdienten die ArbeiterInnen in den USA durchschnittlich 41.400 Dollar, während das Durchschnittsgehalt der CEOs der 500 größten US-Unternehmen im gleichen Jahr 14,8 Millionen Dollar betrug. Im Durchschnitt verdienten fast 100 CEOs Anfang des 21. Jahrhunderts in den USA das 350fache der von ihnen beschäftigten Lohnabhängigen, ab 2018 waren es mehr als 500 US-Unternehmen – unter ihnen McDonald‘s und Walmart –, deren CEOs mehr als 1.000mal so viel verdienten wie ihre Angestellten.

Und diese Umverteilung von unten nach oben wurde nicht nur in den USA organisiert. Diese starken Tendenzen zur absoluten und relativen Verelendung des Weltproletariats war eine Voraussetzung, dass die Weltbourgeoisie die Mehrwertraten und damit auch die Profitraten wieder stabilisieren konnte. So stieg die internationale durchschnittliche Profitrate von 1980 bis 2010 auf 15 Prozent, nachdem sie 1974/75 auf 10 Prozent gesunken war. Doch auch durch diese Offensive gegen die Lohnabhängigen kam der westeuropäische, nordamerikanische und japanische Kapitalismus nicht aus seiner strukturellen Profitproduktionskrise heraus. Im Gegenteil, seit 2010 fiel die durchschnittliche internationale Profitrate wieder.

Durch Privatisierungen innerhalb der westeuropäischen und nordamerikanischen Nationen, durch eine verschärfte Ausbeutung der Lohnabhängigen sowie durch imperialistische Expansion des Privatkapitals nach Osteuropa und China konnte in den 1990er Jahren die strukturelle Profitproduktionskrise eingedämmt, aber eben nicht überwunden werden. Es entwickelte sich nach einer zyklischen Krise von 1990/91 ein zyklischer Aufschwung des Weltkapitalismus, der bis in das Jahr 2000 andauerte. Dieser Aufschwung war auch ein Investitionsboom in der Computer-, Informations- und Kommunikationstechnologie. Nach einer kurzen und nicht sehr tiefen Krise von 2000/2001 gab es wieder einen weltweiten Aufschwung, der diesmal aber nur sehr kurz war – bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise von 2007. Zuerst entwickelte sich eine Finanzkrise. Aber 2008/2009 entfaltete sich auch eine zyklische Krise der Warenproduktion, die in der Krisendynamik der kapitalistischen Produktionsweise ihre Quelle hatte, aber kein „Überschwappen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft“ darstellte, wie die bürgerliche Ideologieproduktion verschleiernd behauptete.

Um aus der Krise von 2008/2009 zu kommen, legten die Staaten, deren Finanzkraft dazu ausreichte, klassisch keynesianische Konjunkturprogramme auf. Nach Keynes sollten die Staaten in zyklischen Abschwüngen kreditfinanziert für zusätzliche Nachfrage sorgen. Die erhöhten Staatsschulden sollten dann im nächsten Aufschwung wieder abgetragen werden. So verschrieben unter anderem China, die BRD und die USA als Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus ein paar Tropfen und Tabletten aus der Apotheke des klassischen keynesianischen Staatsinterventionismus. Besonders das chinesische Konjunkturprogramm, die gewaltige schuldenfinanzierte staatliche Investition in die Infrastruktur, stabilisierte den Weltkapitalismus ab 2010 wieder. Diese Medizin konnte den Weltkapitalismus für eine gewisse Zeit auf die Beine helfen, aber natürlich nicht seine Hauptkrankheit – den tendenziellen Fall der Profit- und der Kapitalvermehrungsrate – heilen. Auch hatte die klassische keynesianische Medizin der nationalstaatlichen Konjunkturprogramme die üble Nebenwirkung der Vergrößerung der Staatsschulden, aber sie konnte die akute Profitrealisationskrise in wichtigen Nationen des Weltkapitalismus mehr oder weniger erfolgreich eindämmen.

Im November 2008 verkündete die chinesische Regierung ein keynesianisches Konjunkturprogramm für die Jahre 2009/2010 von umgerechnet 450 Milliarden US-Dollar. Dieses war zu zwei Dritteln auf Infrastrukturprojekte zugeschnitten. Auch die USA ließen sich nicht lumpen. Sie legten ein Konjunkturprogramm in Höhe von 585 Milliarden US-Dollar auf. In Deutschland setzten die regierenden DemokratInnen am 21. Dezember 2008 das Konjunkturpaket I und Anfang März 2009 das Konjunkturpaket II in Gang. Der deutsche Staatsinterventionismus investierte 17 Milliarden Euro in die Modernisierung der Infrastruktur. Besondere Aufmerksamkeit bekam die deutsche Autoindustrie. Der Staat ließ sich die sogenannte Abwrackprämie 5 Milliarden Euro kosten. Diese Abwrackprämie war eine klare Subvention des Autokaufes durch die bundesdeutsche Regierung. Alle BesitzerInnen von Altwagen bekamen jeweils 2.500 Euro bei Neukauf pro verschrottetes Altfahrzeug.

Auch die nationalstaatlichen Konjunkturprogramme zeigten eindeutig, dass zuvor der Grad der kapitalistischen Globalisierung sowohl von den IdeologInnen der Bourgeoisie als auch von einigen ihrer kleinbürgerlich-intellektuellen KritikerInnen maßlos übertrieben worden ist. Die meisten nationalstaatlichen Konjunkturprogramme dienten nämlich eindeutig dem Ziel in erster Linie das eigene Nationalkapital zu retten und die auf den einheimischen Märkten sich bewegenden fremden Einzelkapitale zu diskriminieren. So enthielt das US-amerikanische Konjunkturprogramm die Bestimmung, dass für die staatlichen Infrastrukturprojekte nur Baumaterialien, Eisen und Stahl von US-Unternehmen verwendet werden sollten, solange sich die Gesamtprodukte dadurch nicht über 25 Prozent verteuern würden. Die chinesische Regierung ordnete im Juni 2009 an, beim nationalen Konjunkturprogramm chinesische Produkte zu bevorzugen.

Zwischen 2010 und 2019 stabilisierte sich der Weltkapitalismus – einzelne kapitalistische Staaten wie Griechenland blieben in einer tiefen Krise. Die globale Profitproduktions- und Profitrealisationskrise von 2020, hatte sich schon vor der COVID-19-Pandemie durch verschiedene Symptome angekündigt, wurde aber von ihr enorm verschärft (siehe Nelke, Coronaviruspandemie und Klassenkampf, Soziale Befreiung 2020). Die Staaten, die meinten es sich leisten zu können, betrieben in der Coronaviruskrise als ideelle Gesamtkapitalisten eine klassische keynesianische Konjunkturpolitik.

Der Staatsinterventionismus in der strukturellen Profitproduktionskrise sieht in den mächtigsten kapitalistischen Staaten grundsätzlich so aus, dass im zyklischen Aufschwung die Gewinne privatisiert werden – um in schweren Krisen die Verluste zu verstaatlichen. Die krisenbedingte staatliche Beteiligung an Einzelkapitalen erfolgt aber grundsätzlich nicht, um sich in das Management von diesen einzumischen. Diese Politik könnte mensch als „neoliberalen Krisenkeynesianismus“ bezeichnen. Staatsinterventionistische und staatskapitalistische Tendenzen ganz im Sinne des Privatkapitals.

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