9. Staatskapitalismus
Unter Staatskapitalismus verstehen wir das Staatseigentum an industriellen Produktions- und Handelsmitteln, an und mit denen Lohnabhängige einen Mehrwert produzieren und realisieren, den sich der politische Gewaltapparat aneignet. Staatseigentum an industriellen Produktions- und Handelsmitteln ist institutionell-überpersönliches Eigentum des politischen Gewaltapparates. Die ManagerInnen der Staatsfirmen und die regierenden BerufspolitikerInnen üben staatskapitalistische Eigentumsfunktionen aus. Staatsfirmen – überwiegend Rohstoff- und Verkehrsunternehmen – stellen innerhalb des Privatkapitalismus lediglich eine staatskapitalistische Tendenz dar. Dort, wo der überwiegende Teil der industriellen Produktions- und Handelsmittel verstaatlicht ist beziehungsweise der politische Gewaltapparat quasi ein Eigentumsmonopol ausübt, ist der Staatskapitalismus eine herrschende Produktionsweise. Besonders ausgeprägt war der Staatskapitalismus in marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen in Eurasien, Afrika und auf Kuba. Der Staatskapitalismus ist absolut sozialreaktionär.
Durch eigene politische Machteroberungen oder die Expansion des sowjetischen Imperialismus in Osteuropa infolge des Zweiten Weltkrieges – den der linksbürgerlich-sozialreaktionäre Antifaschismus noch immer als „Befreiung vom Faschismus“ ideologisch verschleiert und abfeiert – und der anschließenden Verstaatlichung der Wirtschaft wurden kleinbürgerliche marxistisch-leninistische Politbonzen zu Staatsbourgeois, die von der staatskapitalistischen Ausbeutung des Proletariats in Form von Gehältern und offiziellen oder inoffiziellen Privilegien lebten. Diese Staatsbourgeoisie war hierarchisch organisiert und ging nach unten fließend in staatlich dienende Lohnabhänge über. Staatsbourgeoisie und die staatlich dienenden Lohnabhängigen waren die Subjekte einer zentralen Wirtschaftsplanung. Die DirektorInnen der verstaatlichten Betriebe ähnelten den WirtschaftsmanagerInnen im Privatkapitalismus, waren aber der zentralen Wirtschaftsplanung untergeordnet. Sie waren fast alle Mitglieder der herrschenden marxistisch-leninistischen Staatsparteien und Teil der Staatsbourgeoisie. Während regierende BerufspolitikerInnen im Privatkapitalismus den politischen Ausläufer der Bourgeoisie bilden, waren sie der Kern einer Staatsbourgeoisie einer verstaatlichten Sozialökonomie.
Die Lohnabhängigen vermieteten an den Staat ihre Arbeitskraft und produzierten für diesen Mehrwert. Dafür bekamen sie einen Geldlohn, mit dem sie in staatlichen, genossenschaftlichen oder kleinbürgerlichen Privatgeschäften Waren eintauschten. Während viele Lohnabhängigen im hoch entwickelten Privatkapitalismus unter einem klassenbedingten Geldmangel leiden, litten ihre Klassengeschwister im Staatskapitalismus auch unter einem Warenmangel. Dieser war Ausdruck einer bevorzugten Produktion von Produktionsmitteln und Waffen. Diese waren innerhalb der staatskapitalistischen Ökonomien keine wirklichen Waren, da sie nicht ausgetauscht werden mussten, weil deren Produzent und deren Nutzer dieselbe Wirtschaftseinheit darstellte, nämlich der kapitalistische Staat.
Formal wurde die Produktion von Produktionsmitteln zwischen den diese Güter produzierenden Einzelbetrieben und der staatlichen Gesamtwirtschaft buchhalterisch so organisiert: Die verstaatlichten Einzelunternehmen verfügten über keinen freien Investitionsfonds, aus dem sie selbständig von anderen staatlichen Unternehmen Produktionsmittel hätten kaufen können. Sie unterhielten zwar Betriebskonten bei der Staatsbank, aber ohne Anweisung der zentralen Planungsbürokratie gab die Staatsbank diese Gelder nicht frei. In der Praxis bekamen also die Einzelbetriebe von der staatlichen Zentrale die Produktionsmittel, die sie benötigten, mehr schlecht als recht zugeteilt. Formal fanden dabei Einkäufe statt, bei denen Rechengelder von den Konten der Empfängerbetriebe bargeldlos auf die Konten der Lieferbetriebe überwiesen wurden. Doch jenseits der Formalität war die Versorgung der staatlichen Einzelbetriebe mit Produktionsmitteln nicht durch Ware-Geld-Beziehungen geregelt, weil in diesem Fall der Staat als kapitalistisches Monopol „Käufer“ und „Verkäufer“ in einem darstellte.
Demgegenüber stellte die Konsumgüterproduktion im Staatskapitalismus eine staatsbürokratisch deformierte Warenproduktion dar. Während die Warenpreise im Privatkapitalismus neben ihrer Bildung durch die Arbeitswerte als ihren Produktionskosten auch von der Marktkonkurrenz aus Angebot und Nachfrage bestimmt werden, wurden diese im Staatskapitalismus vom politischen Gewaltapparat festgelegt. Die marxistisch-leninistischen Politbonzen und ihre Kopflanger bildeten sich auf „ihre bewusste Anwendung des Wertgesetzes“, ihre staatsbürokratisch deformierte Warenproduktion, eine Menge ein. In der Praxis funktionierte sie jedoch wesentlich schlechter als das privatkapitalistische Original. Die staatliche Festlegung und Planung der Warenpreise war wesentlich unflexibler als die „blinde“ durch die Marktkonkurrenz im Privatkapitalismus. Diese Feststellung stellt kein naives Lob „des Marktes“ oder gar ein Abgleiten in den „Marktsozialismus“ unsererseits dar, sondern eine wirkliche kommunistische Kritik an der staatskapitalistischen Warenproduktion. Die Warenproduktion muss sozialrevolutionär aufgehoben werden, wenn sich das Proletariat mehrheitlich von kapitalistischer Ausbeutung befreien will, darf aber nicht verstaatlicht werden. Der Warenmangel, an dem in vielen staatskapitalistischen Nationen besonders die Lohnabhängigen litten – die marxistisch-leninistischen Politbonzen hatten ihre Spezialläden – war ein Ausdruck des Vorranges der Vermehrung des Staatskapitals gegenüber dem Konsum der Lohnabhängigen.
Die staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse stellten eine ultrazentralistische und überbürokratische Deformation des klassischen Kapitalismus dar. Jedoch eine Deformation, die eine ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von ehemaligen Agrarstaaten begünstigte. Nur in Agrarstaaten mit einer relativ schwachen Bourgeoisie konnten übrigens marxistisch-leninistische Parteiapparate selbständig die politische Macht erobern und die Nationalkapitale verstaatlichen. Die staatskapitalistische Wirtschaftspolitik marxistisch-leninistischer Regimes entsprach also durchaus den Bedürfnissen der beginnenden Kapitalvermehrung in Agrarnationen. So wurde vor allem die Sowjetunion durch die staatskapitalistische Wirtschaftspolitik zur Industrienation. Eine eigenständige staatskapitalistische Wirtschaftspolitik hat aus zwei Gründen ein Agrarland mit schwach entwickelten PrivatkapitalistInnen und ArbeiterInnenklassen als Grundlage. Zum einen richtet sich die totale Verstaatlichung der Wirtschaft sowohl gegen das Privatkapital, was enteignet, als auch gegen das Proletariat, welches der staatskapitalistischen Ausbeutung unterworfen wurde. In hochentwickelten Industrienationen mit starken PrivatkapitalistInnen und WirtschaftsmanagerInnen auf der einen und einer zahlenmäßig großen und auch mehr oder weniger klassenkämpferischen ArbeiterInnenklasse auf der anderen Seite gibt es kein Machtvakuum für marxistisch-leninistische Parteiapparate, die die politische Macht erobern und das Nationalkapital verstaatlichen könnten. Zweitens entspräche eine staatskapitalistische Wirtschaftspolitik ganz und gar nicht den Vermehrungsbedürfnissen eines hochentwickelten Industriekapitals. Deshalb entwickelten sich auch Industrienationen niemals selbständig zum Staatskapitalismus. Die bereits industriell entwickelten Räume Tschechoslowakei und Ostdeutschland wurden nur durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges staatskapitalistisch.
Besonders in der Sowjetunion entsprach also die staatskapitalistische Wirtschaftspolitik am Anfang den Vermehrungsbedürfnissen des Nationalkapitals. Während der ursprünglichen Industrialisierung waren die Lohnabhängigen nicht wirklich doppelt frei. Das GULAG-System von Arbeitslagern, in dem zwischen 1930 und 1953 mindestens 18 Millionen lediglich negativ freie Arbeitskräfte – getrennt von den Produktionsmitteln, aber keine freien Marktsubjekte – Zwangsarbeit verrichten mussten, hatten auch eine große wirtschaftliche Bedeutung. Auch den „normalen“ Lohnabhängigen war in der Sowjetunion zwischen 1940 und 1956 jeder freie Arbeitsplatzwechsel untersagt. In dieser Zeit waren die Lohnabhängigen in der UdSSR also keine doppelt freien Arbeitskräfte. Danach schon. Das stellt aus unserem Munde allerdings kein Lob dar. In vielen staatskapitalistischen Nationen gab es keine Arbeitslosigkeit. Besonders die staatskapitalistische DDR nutzte dies im Propagandakrieg gegen die privatkapitalistische BRD, in der sich ab den 1970er Jahren eine Massenarbeitslosigkeit entwickelte. Noch heute ist der Marxismus-Leninismus in seinen nostalgischen Rückblicken auf den elendig verreckten Staatskapitalismus total stolz auf das in ihm verwirklichte „Recht auf Arbeit“. Wirkliche KommunistInnen schütteln da nur den Kopf, da es nichts anderes war als der staatskapitalistisch realisierte Zwang zur Lohnarbeit – sowohl ökonomisch als auch außerökonomisch.
Die staatskapitalistische Produktionsweise war durch die Despotie der zentralen Planungsbehörden und dem Chaos des bürokratischen Plans geprägt. So wurden von den zentralen Planungsbehörden einigen Produkten Vorrang eingeräumt, anderen Produkten, die jedoch in der Produktionskette der bevorzugten Güter unentbehrlich waren, jedoch nicht. Im Jahre 1940 standen zum Beispiel in der Sowjetunion im Stalingrader Traktorenwerk unfertig produzierte Traktoren im Tauschwert von 18 Millionen Rubel auf Halde. Und dies, weil eine Lieferung von Kleinteilen im Wert von 100 000 Rubel nicht eintraf. Denn der Produktion dieser unentbehrlichen Kleinteile wurde von den staatlichen Planungsbehörden keine Priorität eingeräumt.
Der Sowjetunion gelangen zwar besonders in den 1950er Jahren technologische Pionierleistungen in der Raumfahrt, aber insgesamt konnte sie in dem globalen Konkurrenzkampf mit dem hochentwickelten Privatkapitalismus, der in Form des Kalten Krieges auch militärisch in Form von Stellvertreterkriegen und einem Wettrüsten ausgetragen wurde, immer weniger mithalten. Die ultrabürokratischen und überzentralisierten staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten zwar eine ursprüngliche und beschleunigte Industrialisierung, aber nach dieser hemmten sie immer stärker die weitere Entwicklung der Produktivkräfte. Der Staatskapitalismus geriet nach der ursprünglichen, nachholenden und beschleunigten Industrialisierung in seine Todeskrise. Staatskapitalistische Wirtschaftspolitik entsprach ab einem bestimmten Punkt nicht mehr den Entwicklungstendenzen der Kapitalvermehrung. Die Todeskrise des Staatskapitalismus hätte progressiv nur durch die revolutionäre Zerschlagung der marxistisch-leninistischen Regimes und die Aufhebung der Warenproduktion durch die Herausbildung einer nachkapitalistischen, klassen- und staatenlosen Gesellschaft gelöst werden können. Doch in der Praxis wurde die Todeskrise des „sozialistischen“ Staatskapitalismus nicht revolutionär, sondern sozialreaktionär durch die Privatisierung des Kapitals gelöst.
Besonders zwei Kräfte waren an einer Privatisierung des Kapitals im „Sozialismus“ interessiert. Das waren zum einen das ausländische Privatkapital und zum anderen das einzelbetriebliche Management der verstaatlichten Wirtschaft. Der westliche Imperialismus schwächte das sowjetisch-osteuropäische Lager sowohl durch die militärische Konkurrenz – die Stellvertreterkriege und das Wettrüsten – als auch durch die Kooperation in Form des Handels und der Vergabe von Krediten an staatskapitalistische Nationen. Da letztere der ökonomisch-technologischen Konkurrenz der hochentwickelten privatkapitalistischen Staaten nicht standhalten konnten, tat ihnen der Welthandel nicht gut und sie verschuldeten sich auch immer stärker. Als der IWF in den 1980er Jahren dem Ostblockland Ungarn einen Kredit gewährte, verlangte er Marktreformen…
Die BetriebsdirektorInnen der verstaatlichten Ökonomie des „Sozialismus“ hatten ein materielles Interesse an einer größeren Unabhängigkeit vom Staat. Doch was ist im Kapitalismus die materielle Basis einer großen Unabhängigkeit der einzelnen Wirtschaftseinheiten vom Staat? Genau, das Privateigentum an Produktionsmitteln. Das Unabhängigkeitsstreben der BetriebsdirektorInnen war also bewusst oder unbewusst das Interesse an der Privatisierung des Kapitals. Die BetriebsdirektorInnen, die fast alle Mitglieder der marxistisch-leninistischen Staatsparteien waren, konnten Druck für „Wirtschaftsreformen“ machen. Einigen Oberbonzen der Staatsbourgeoisie wurmte, dass auf die alte staatskapitalistische Weise auf globaler Ebene immer schlechter mitgehalten werden konnte. So entstanden innerhalb der Staatsbourgeoisie objektiv proprivatkapitalistische Strömungen und Fraktionen. Jede Wirtschaftsreform im Staatskapitalismus, die „mehr Markt“ oder „Dezentralisierung“ zum Ziel hatte, konnte und kann nur in der Privatisierung des Kapitals enden. Doch diese Privatisierung des Kapitals entsprach den Bedürfnissen der Kapitalvermehrung, für die die staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse zu Fesseln geworden sind.
In China und Vietnam kamen proprivatkapitalistische Fraktionen der marxistisch-leninistischen Staatspartei Ende 1978 und 1986 an die politische Macht. Die von ihnen organisierte Transformation zum Privatkapitalismus unter der Reproduktion der politischen Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien war zwar sozialreaktionär, aber wirtschaftlich sehr erfolgreich. Besonders an den Beispielen China und Vietnam sehen wir, dass die Privatisierung des Kapitals dessen sozialreaktionären Vermehrungsbedürfnissen entsprach. Der Wechsel von der staats- zur proprivatkapitalistischen Wirtschaftspolitik erfolgte aus der Kapitalvermehrungsperspektive – die selbstverständlich nicht die unsere ist – rechtzeitig. Der Maßstab ist dabei die globale Konkurrenz der Nationen. Dagegen erfolgte die Reprivatisierung des Kapitals im sowjetisch-osteuropäischen Staatskapitalismus aus der Perspektive des ökonomischen Erfolges dieser Nationen zu spät. Es ist kein Zufall, dass in Osteuropa zuerst in jenen Ländern proprivatkapitalistische Reformen versucht wurden, die bereits vor dem Staatskapitalismus industrialisiert waren: DDR und Tschechoslowakei. In der DDR setzte das Ulbricht-Regime ab 1963 auf das Neue Ökonomische System der staatlichen Planung und Leitung (NÖS), was „mehr Markt“ und „Dezentralisierung“ unter Beibehaltung der politischen Diktatur der marxistisch-leninistischen Staatspartei vorsah. Dies war der Beginn einer langsamen und schleichenden Privatisierung des Kapitals, die dann für die nationale Kapitalvermehrung so erfolgreich später in China und Vietnam realisiert wurde. Doch der konservativ-staatskapitalistische Politbonze Erich Honecker putschte 1971 erfolgreich mit dem Segen Moskaus gegen Ulbricht. Honeckers erfolgreicher Palastputsch schaufelte auch das Grab für das NÖS. In der Tschechoslowakei übernahm die objektiv proprivatkapitalistische Fraktion der Staatsbourgeoisie unter Alexander Dubček im Januar 1968 die politische Macht. Dieser organisierte nicht nur die beginnende Transformation zum Privatkapitalismus, sondern auch zur pluralistisch-demokratischen Mehrparteiendiktatur. Doch das ließ sich der sowjetische Imperialismus nicht bieten und intervenierte im August 1968 militärisch in der Tschechoslowakei, wodurch die beginnende Transformation zum Privatkapitalismus in diesem Land erstmal gestoppt wurde.
Die staatskapitalistische Wirtschaftspolitik in der Sowjetunion und in seinem osteuropäischen Einflussgebiet entsprach ab den 1970er Jahren nicht mehr den Bedürfnissen einer beschleunigten Kapitalvermehrung. So geriet der sowjetisch-osteuropäische Staatskapitalismus in seine Todeskrise. Die allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kapitalvermehrung, die eine Privatisierung des Staatskapitals erforderten, weil dieses zu einem Hemmnis der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung geworden war, setzten sich schließlich im Jahre 1985 durch, durch die politische Macht von Gorbatschow und dessen Perestroika, welche die erste Etappe auf dem Weg zum Privatkapitalismus darstellte. Die Perestroika strebte zuerst „mehr Markt“ und „Dezentralisierung“ an. Gorbatschows Wirtschaftspolitik war aber nicht erfolgreich. Der niedergehende sowjetische Staatskapitalismus führte zu Nationalitätenkonflikten. Jelzin entwickelte sich zu einem radikal-proprivatkapitalistischen Gegenspieler Gorbatschows, der ab 1989 die politische Macht im größten Teilgebiet der Sowjetunion, in Russland, auszuüben begann. Als Jelzin auch noch die russisch-nationalistische Karte gegen die Sowjetunion auszuspielen begann, hatte Gorbatschow keine Chance mehr. Im August 1991 putschten konservative Kräfte des Staates, um den Zerfall der Sowjetunion aufzuhalten. Doch sie waren erfolglos – daraufhin erfolgte der Gegenputsch Jelzins als offener Durchmarsch der proprivatkapitalistischen Kräfte. Diese lösten schließlich Ende 1991 die Sowjetunion auf. Jelzin war der Lieblingsrusse des westlichen Imperialismus.
Die beginnende Privatisierung des Kapitals in der Sowjetunion unter Gorbatschow war mit einer Kapitulation des sowjetischen Imperialismus im Kalten Krieg verbunden. Moskau überließ sein osteuropäisches Vorgärtchen, dass es sich im Zweiten Weltkrieg erobert hatte, dem westlichen Imperialismus. In Polen hatte sich 1980/81 der proletarische Klassenkampf gegen das dortige marxistisch-leninistische Regime verschärft. Doch leider konnte die sozialreaktionär-proprivatkapitalistische Gewerkschaft Solidarność diesen Klassenkampf instrumentalisieren. Im Jahre 1981 ging das staatskapitalistische Regime repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat und Solidarność vor, aber ab Februar 1989 verhandelte die proprivatkapitalistische Fraktion der marxistisch-leninistischen Staatspartei zusammen mit der Solidarność-Führung am „Runden Tisch“ über die Transformation zum Privatkapitalismus.
In Ungarn regierte ab 1987 der proprivatkapitalistisch-„reformkommunistische“ Karoly Grosz. Unter ihm begann die Privatisierung des Staatskapitals 1988/89. Ungarn öffnete auch im Sommer 1989 seine Grenzen zu Österreich. Das Geld des westdeutschen Imperialismus, die heiß begehrten Deutsche Mark, hatte das stark verschuldete Ungarn sturmreif geschossen. Über diese offene Grenze flohen auch ganz viele DDR-BürgerInnen in den Privatkapitalismus, in „die Freiheit“, wie die westliche Propaganda behauptete. Durch diese Fluchtbewegung geriet auch der ostdeutsche Staatskapitalismus in die akute Phase seiner Todeskrise. Es entwickelte sich eine kleinbürgerliche Oppositionsbewegung, die ideologisch von subjektiv antikapitalistischen bis offen proprivatkapitalistische Kräfte reichte. Aber auch die subjektiv antikapitalistischen Teile der kleinbürgerlichen DDR-Opposition, die Vereinigte Linke (VL), waren ideologisch total verwirrt und sozialreformistisch. In der Todeskrise des ostdeutschen Staatskapitalismus entwickelte sich leider keine antipolitisch-sozialrevolutionäre Strömung heraus. Die marxistisch-leninistische Staatspartei SED betrieb einen Kurswechsel zum Privatkapitalismus und zur Vereinigung mit der BRD, während die kleinbürgerliche Oppositionsbewegung aufgrund der starken marktwirtschaftlichen und demokratischen Illusionen großer Teile der DDR-Bevölkerung immer stärker vom bundesdeutschen Imperialismus instrumentalisiert werden konnte. Dieser gewann auch die freien Wahlen in der DDR vom 18. März 1990. Am 3. Oktober 1990 wurde die DDR BRDdigt. Auch der bulgarische, rumänische, tschechoslowakische, jugoslawische und albanische Staatskapitalismus gerieten in ihre finale Todeskrise.
Die schocktherapieartige Privatisierung des Kapitals in Russland und in den oben genannten osteuropäischen Gebieten in den 1990er Jahren war mit einer tiefen Wirtschaftskrise, einer starken Deindustrialisierung und einer massiven Verelendung großer Teile des Proletariats verbunden. Von der Privatisierung des Kapitals profitierten die ehemaligen DirektorInnen der verstaatlichten Betriebe, die sich nicht gerade selten zu PrivatkapitalistInnen entwickelten, genau wie Angestellte der Ministerien der ehemaligen marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen sowie die oberste Schicht der wissenschaftlichen und kulturellen Intellektuellen. Auch das westliche Auslandskapital profitierte ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre durch die Eroberung neuer Rohstoffquellen, Absatzmärkte und Investitionsstandorte sowie in Form von billigen Arbeitskräften durch den produktiven Kapitalexport in Osteuropa. Besonders die westdeutsche Bourgeoisie profitierte von der Privatisierung des ostdeutschen Kapitals, wo kaum einheimische Kräfte zum Zug kamen. So wurde Osteuropa zur verlängerten Werkbank des westeuropäischen Kapitals. Politisch-militärisch wurden die privatkapitalistisch gewendeten Nationen Osteuropas in die westlich-imperialistischen Bündnissysteme NATO und EU integriert. Die Ostexpansion von EU und NATO richtete sich gegen die Interessen des russischen Imperialismus. Spätestens ab 2013 tragen der westliche und der russische Imperialismus einen zweiten Kalten Krieg gegeneinander aus.
Staatskapitalistische Nationen waren von Anfang bis zum Ende Teil des Weltkapitalismus. Sie stellten einen besonderen Ausdruck der allgemeinen Tendenz zum Staatsinterventionismus und Staatskapitalismus der globalen Kapitalvermehrung dar. Diese Tendenz erlebte ihren Höhepunkt zwischen 1914 und 1973. Doch sie geriet durch die strukturelle Profitproduktionskrise im Privatkapitalismus und die Todeskrise des „sozialistischen“ Staatskapitalismus in das Stocken. Beide Krisen wurden und werden sozialreaktionär durch die Offensive des Privatkapitals gelöst.
Heute ist der totale Staatskapitalismus mit „sozialistischer“ Maske als Realpolitik Geschichte. Er ist ein Relikt der globalen Kapitalvermehrung und der internationalen Industrialisierung. Doch noch immer stellen Teile der politischen Linksreaktion die Verstaatlichung von industriellen Produktions- und Handelsmitteln als eine nach- und antikapitalistische Politik dar.
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